zuletzt aktualisiert am 03.04.2012
 

Grüner Kapitalismus? Nein Danke!

Eigentlich scheint alles klar zu sein: Die Menschheit steht vor einer Herausforderung, die nur gemeinsam lösbar ist, einem "globalen Umweltproblem" ? dem Klimawandel. Die Lösung liegt auf der Hand, eindeutig und unumstritten. Die Emission an Treibhausgasen muss reduziert werden. Mit Instrumenten wie dem Emissionshandel scheint eine ökologische Modernisierung der Gesellschaft realisierbar und zugleich neue Märkte erschließbar.

Den BUKO32 wollen wir dazu nutzen, den vorherrschenden Konsens aufzubrechen. Der Klimakonflikt ist kein globales Menschheitsproblem, das gekennzeichnet ist durch eine gemeinsame Bedrohungslage oder ein kollektives Interesse an einer Problemlösung. Seine Ursachen wie auch seine Auswirkungen müssen zeitlich, räumlich und sozial differenziert betrachtet werden. Alleine die G8-Staaten haben die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen zu verantworten. Als wesentliche Ursache des durch Menschen verursachten Klimawandels längst identifiziert ist die kapitalistische Produktions- und die Konsumptionsweise. Gerade die Menschen und Regionen, die besonders von Armut betroffen sind, die ohnehin über wenig Zugang zu Ressourcen und politische Macht verfügen, sind den Folgen von Klimaveränderung in erhöhtem Maße ausgesetzt.

Wir begreifen den Klimawandel als Ausdruck einer fundamentalen Gesellschaftskrise - einer umfassenden Krise gesellschaftlicher (Natur-)­Verhältnisse. Gegenwärtige Klimapolitik blendet demgegenüber aus, dass herrschende Naturverhältnisse gesellschaftlich vermittelt sind. Dies zeigt sich bspw. dann, wenn auf Agrotreibstoffe gesetzt wird, um eine bislang das Klima schädigende, fossil angetriebene Mobilitätsflotte am Leben zu erhalten, dabei jedoch großzügig darüber hinweg gesehen wird, dass die dazu notwendigen, großflächigen Monokulturen die Regenwälder und die Biodiversität vernichten und kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft die Existenzgrundlage entziehen. Beides hat massive Auswirkungen auf das Klima und die globale Gerechtigkeit. Klimawandel ist insofern kein ausschließlich ökologisches Thema, dem allein durch Umweltschutz oder technologische Lösungen zu begegnen ist. Die Krise ist geprägt durch soziale Herrschaftsverhältnisse: zwischen den Geschlechtern, zwischen globalem Norden und globalem Süden, zwischen Arm und Reich, usw.

Ein emanzipatorischer Umgang mit der sozial-ökologischen Krise erfordert unserer Ansicht nach, derartige Herrschaftsverhältnisse zur Disposition zu stellen. Darin unterscheidet sich eine radikal-demokratische Gestaltung gesellschaftlicher Naturverhältnisse von dem, was mit dem inflationär gebrauchten Begriff ,Nachhaltigkeit' in Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen versucht wird zu erreichen. Eine Positionierung zum Klimawandel aus emanzipatorischer Perspektive bedeutet, die Frage sozial-ökologischer Gerechtigkeit in einen globalen Maßstab zu stellen. In dem gegenwärtig dominanten diskursiven und praktischen Umgang mit dem Klimawandel zeigt sich eine Reproduktion sozialer und ökologischer Ungerechtigkeiten. Öko-koloniale Strukturen werden etabliert und aufrecht erhalten. Beispielsweise wird es "dem Norden" durch den Clean-Development-Mechanism des Kyoto-Protokolls ermöglicht, unliebsame Reduktionsmaßnahmen anhand von kostengünstigeren Projekten im Süden, wie dem Bau von Staudämmen, abzuschreiben ? Projekte, deren Treibhausgas-reduzierender Effekt oftmals zweifelhaft ist und die neue lokale bis regionale sozial-ökologische Konflikte erzeugen.

Doch welche Transformationen sind klimapolitisch erforderlich? Haben wir vor dem Hintergrund akuten Handlungsbedarfs noch Zeit für eine Überwindung des Kapitalismus und der angesprochenen Herrschaftsverhältnisse? Die Zeit für Herrschaftskritik und die Einforderung globaler Gerechtigkeit lassen wir uns nicht nehmen!

Eine Antwort auf die Frage hängt davon ab, ob es gelingt, eine handlungsfähige Gegenmacht aufzubauen, eine die darauf zielt, dass eine ökologische Modernisierung der Gesellschaft auch soziale Aspekte mit einbezieht, dass unsere Lebens- und Wirtschaftsweise als ursächlich für die sozial-ökologische Krise betrachtet wird. Alternativ dazu droht ein grüner New Deal, d.h. eine Regulation der kapitalistischen Krisendynamik, die soziale und ökologische Ungerechtigkeit reproduziert. Die Grundlagen hierfür sind bereits gelegt. Es wird sich noch zeigen, ob wir uns Klimaschutz leisten wollen, ob es bei einem grünen New Deal bleibt oder wir in eine Phase emanzipatorischer Umbrüche der Gesellschaft hinüberwechseln.

In Workshops und auf Podien wollen wir diese Fragen diskutieren. Wir wollen ausgeblendete Realitäten sichtbar machen und zu einer Stärkung von Positionen beitragen, die durch den hegemonialen Diskurs unterdrückt werden. Internationalismus bedeutet für uns nicht zuletzt, den Positionen sozialer Bewegungen aus dem globalen Süden hier Gehör zu verschaffen. Den Lösungsansätzen, die sich primär an Markt und Technologie orientieren, soll die Vielfalt existierender und gelebter emanzipatorischer Alternativen gegenübergestellt werden. Wir möchten Kritik und Forderungen von Bewegungen aus "dem Norden" und "dem Süden" zusammenbringen. Klar ist dabei schon jetzt: Klimawandel ist keine Ein-Punkt-Thematik.

 

Als Einblick in die bisherigen Diskussionen in der BUKO und darüber hinaus empfehlen wir:

 

» Workshops zum Thema

top