zuletzt aktualisiert am 03.04.2012
 

Hier entsteht etwas Spannendes* ...

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"Willkommen in der Urlaubsregion Lüneburg. Exklusive Städtereise, spannender Heideurlaub, Naturerlebnisse und Freizeitaktivitäten aller Art?", so wird die Lüneburger Heide vom lokalen Stadtmarketing angepriesen. Einige schätzen die Region um Lüneburg dagegen auch als Reisesziel der etwas anderen Art: als einen widerständigen Ort, der sich kreativ gegen die jährlichen Castortransporte ins nahe gelegene Wendland wehrt. Vom 21.-24. Mai ist Lüneburg in jedem Fall eine Reise wert. Nein, diesmal stattet keine Elite aus Politik und Wirtschaft der hier gelegenen "Leuphana"- Universität einen Besuch ab, sondern eine Vielzahl internationalistischer Bewegungslinker und AktivistInnen aus diversen sozialen Bewegungen.

Mit Lüneburg als Kongressort verbleibt das Thema des Kongresses nicht im Abstrakten: Krisenerscheinungen, gesellschaftliche Umbrüche - Transformationen - sind hier konkretisierbar und umkämpft. Sie prägen Stadt und Region in vielerlei Hinsicht. Mit dem Klimawandel wird Atomkraft als sog. klimaschützende Energieform gegenwärtig erneut forciert. Die derzeitigen Transformationen im Energieregime beeinflussen Lebensrealitäten: auch im Wendland und in Lüneburg ? im Guten wie im Schlechten. Die Stadt ist jedoch nicht nur in dieser Hinsicht Ort und Symbol aktueller Veränderungen. In den letzten Monaten gelangte Lüneburg mit einem umfassenden Reformprojekt zu überregionaler Bekanntheit: der Leuphana-Universität - unserem Tagungsort.

Stellen wir uns vor, es gäbe eine Hochschule, die eine der besten zehn Hochschulen in ganz Europa werden will. Deren Anspruch es ist, universitäres Lehren und Lernen neu ge- und durchdacht zu haben und deren Mitglieder befähigt werden sollen, Veränderung zu gestalten: die Zukunft des Einzelnen, der eigenen Hochschule und der Gesellschaft insgesamt. Eine Universität, an der es zum guten Ton gehört, sich in Initiativen, Vereinen oder politischen Gremien zu engagieren, gegen Castor oder Nazis zu demonstrieren. Eine Uni, die sozial-ökologische Themen nicht nur aus Büchern kennt, sondern diese aktiv mitgestalten will. Die nur noch Null-Energie-Gebäude bauen will, deren Präsident CO2-neutral reisen will und in deren Cafes selbstredend nur Fair-Trade-Kaffee angeboten wird ? Es gibt diese Universität, und sie steht in Lüneburg.

Stellen wir uns daneben eine Hochschule vor, die sich einer Profilbildung unterzieht um so in einem - in die Zukunft projizierten - "globalen Bildungsmarkt" Konkurrenzfähigkeit beweisen zu können. In deren Neuausrichtung unter demokratischer Mitwirkung ausschließlich Konsultation verstanden wird, Partizipation nur solange erwünscht ist, wie sie effizient ist und Entscheidungen trotz allem hinter verschlossenen Türen in undurchsichtiger Weise getroffen werden. Die sich von der Werbeagentur Scholz & Friends einen neuen Namen samt Corporate Design schenken lässt. Die McKinsey ihre Verwaltung als Feldversuch überlässt und den Präsidiumsstab mit Bertelsmännern und McCloy-AbsolventInnen auffüllt. Die qualifizierte und nachgefragte Studiengänge, ja sogar ganze Standorte abschafft, weil diese nicht ins Profil passen, jedoch einen exklusiven Privatstudiengang für die NachwuchsmanagerInnen eines bekannten deutschen Versandhauses einführt. Eine Hochschule, die vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft eine Auszeichnung für die Entwicklung einer starken Markenidentität erhält ? Auch diese Universität gibt es, auch sie steht in Lüneburg.

"Welcome to Leuphana": ein Ort herrschender Widersprüche, das Versuchslabor der niedersächsischen Hochschulpolitik und für einige eine Modellhochschule für generelle Umstrukturierungen in der (inter-)­nationalen Bildungslandschaft. Für andere hingegen ist sie Ausdruck einer Vereinnahmung emanzipatorischer Ansätze durch die vorherrschende Ideologie des Marktes, der Leistung und der Konkurrenz**. Eine Vereinnahmung, die auch dadurch möglich wird, dass Veränderungsprozesse mit Begrifflichkeiten ? wie bspw. "Partizipation" oder "Nachhaltigkeit" - forciert werden, bei denen jede/r irgendwie meint zu wissen, was sie bedeuten. Solche Plastikworte dienen als ein gemeinsames Dach für unterschiedliche Positionen und konstruieren eine vermeintliche Interessensharmonie. Konträre Auffassungen verschwimmen, Konflikte werden scheinbar reduziert, da sich jeder mit den eigenen Assoziationen innerhalb der verwendeten Begrifflichkeit wieder findet. Plastikworte sagen somit alles und doch gleichzeitig auch nichts. Gleichzeitig bleibt intransparent, welche Inhalte auf welchen Ebenen der Veränderungsprozesse eigentlich handlungsleitend sind. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, die den Wörtern zugrunde liegenden teils konträren Werte, Interessen sowie Vorstellungen von Gesellschaft bewusst zu machen, und zur Diskussion zu stellen.

Mit dem BUKO32 möchten wir der oberflächlichen Interessenharmonie und der damit einhergehenden Alternativlosigkeit gegenwärtiger gesellschaftlicher Veränderungen begegnen. Indem wir uns kritisch mit gegenwärtiger Bildungs- und Klimapolitik und der herrschenden Weltwirtschaft auseinandersetzen, wollen wir emanzipatorische und internationalistische Alternativen sichtbar machen. Sie existieren in vielfältiger Form und lassen sich klar definieren und abgrenzen. Wir laden Euch herzlich ein, Euch diesen Alternativen in einer Vielzahl anregender Workshops und in Gesprächen anzunähern und sie zu diskutieren.

Ach ja, einen exklusiven Stadturlaub versprechen wir allemal. Mit: Sonnenschein (bestimmt!), Tanz (auf der Kongressparty), Kabarett und Film, leckerer Verköstigung mit einer Gourmet-Vokü und jeder Menge inspirierender Menschen: Willkommen auf dem BUKO32! Willkommen in Lüneburg!

*) Angela Merkel zu Entwicklungen an der Leuphana-Universität. Ob sie damit auch den BUKO32 meinte, ist unbekannt.

**) Wahr oder falsch? Schein und Wirklichkeit? Vergleiche selbst: www.leuphana.de und www.leuphana.de.vu

 

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