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Alles unter Kontrolle?
Sicherheit in städtischen Räumen

In den letzten Jahren findet eine massive Aufwertung des Themas Sicherheit statt. Mit ihm lässt sich in Zeiten, in denen immer mehr Menschen die kapitalistische Vergesellschaftung negativ erfahren, erfolgreich Politik machen – in den Metropolen wie in der Peripherie. Ausgrenzung und Kontrollpolitiken bedingen sich. Wenn lohnarbeitende Menschen für die Kapitalverwertung überflüssig werden und prekarisiert leben, werden sie für jene, die sich weiter in der Konkurrenz behaupten, zu einem - möglichst kostengünstig zu kontrollierenden - Problem. Das betrifft Obdachlose in Berlin ebenso wie argentinische Erwerbslosenorganisationen, deren militanter Protest zum Sicherheitsrisiko erklärt wird.

Sicherheitspolitiken sind repressive Antworten auf die Auswirkungen sozialen Ausschlusses, die den Subjekten allerdings nicht äußerlich bleiben. Sie schlagen sich auch in einem steigenden Konsens für reaktionäre Positionen, wie verschärfte staatliche Kontrollpolitiken nach dem 11. September 2001 oder Inlandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen der WM, nieder.

Im „Kampf gegen den Terror“, „illegale MigrantInnen einschleusende Schlepperbanden“ und ähnliches, wird immer auch die Zugehörigkeit zur „vorgestellten Gemeinschaft Nation“ trotz zunehmenden gesellschaftlichen Konfliktpotentials bestätigt. Es entsteht ein engmaschiges Netz staatlicher Sicherheitsinstrumente und -strategien mit zunehmend „präventivem“ Charakter, in dem die Sorge um die Sicherheit gleichzeitig als Pflicht an die BürgerInnen („selbstorganisierte“ Kiez-Streifen) oder private Sicherheitsdienste, abgegeben wird.

Der Handel mit Sicherheitsdienstleistungen, Waffen und Überwachungstechnologien zählt zu den größten globalen Wachstumsmärkten. Sicherheit wird im Zuge der Privatisierung zu einem käuflichen Gut, die aktive Produktion von Unsicherheit und die Beteiligung von Waffenhändlern an bewaffneten Konflikten sichern den Markt. Im städtischen Raum zeigt sich diese Dynamik u.a. in der Privatisierung und Kapitalisierung von Wohngebieten, Einkaufszonen oder öffentlichen Parks. Eine Folge ist, dass die Garantie körperlicher Unversehrtheit zu einer Frage der Kaufkraft wird: „Gated Communities“ in Kapstadt garantieren ein gut bewachtes Privatleben, während im Viertel nebenan der Gang zum nächsten Laden lebensgefährlich sein kann.

Sicherheitspolitiken, wie auch der Umgang mit ihnen, unterscheiden sich entsprechend der konkreten sozialen und regionalen Situationen. Neben defensiven Strategien der Kritik von Repression bzw. der Verteidigung von Abwehrrechten, gibt es auch Beispiele aktiver Gegenwehr, z.B. Nachbarschaftsgruppen in Mexiko-Stadt, die soziale Sicherheit kooperativ herstellen.

In den Workshops zu Sicherheit in städtischen Räumen wollen wir die Instrumente, Ziele und Mechanismen von Sicherheitspolitiken untersuchen, um unsere Kritik zu schärfen und die Grundlage für emazipativen Widerstand zu legen - auch im Hinblick auf die WM 2006.

Vorbereitungsguppe Forum Stadt - Sicherheit
Programm zum Schwerpunkt Stadt - Sicherheit
Donnerstag, 25.05.06

Crashkurs: Regulationstheorie/Postfordismus [15:00 - 18:00 h]
Susanne Heeg, Sybille Bauriedl
Die verschiedenen Ansätze der Regulationstheorie entwickelten seit den 70er Jahren ein Begriffsinstrumentarium, das erlaubt die Formveränderungen kapitalistischer Akkumulation zu beschreiben und dabei sowohl gesellschaftliche Strukturen, wie auch soziale Akteure einzubeziehen. Sie gehen davon aus, dass die Reproduktion kapitalistischer Verwertung keineswegs selbstverständlich ist, sondern nur aufgrund historisch spezifischer Konstellationen gelingt. Der Crash- Kurs führt ein in zentrale Konzepte des Ansatzes wie Regulationsweise, Akkumulationsregime, Fordismus und Postfordismus und untersucht diese auf ihre Tauglichkeit als Analyseinstrument für die Transformation städtischer Räume.
Crashkurs: Hegemonie [15:00 - 16:30 h]
Markus-Michael Müller, Martina Blank
Sicherheit wird von kritischer Seite oft in Hinblick auf Herrschaftssicherung durch staatliche Überwachung und Kontrolle thematisiert. Schnell entsteht so das Bild eines Überwachungsstaats, der die Bevölkerung "von oben" kontrolliert. Eine hegemonietheoretische Perspektive ermöglicht es hingegen, die einfache Gegenüberstellung von Staat vs. Gesellschaft aufzubrechen und Sicherheit als ein umkämpftes Projekt in den Blick zu nehmen. Die Definition darüber was "Sicherheit" überhaupt ist und wer diese wie herstellen soll, ist immer auch ein Produkt von Kämpfen und Aushandlungprozessen im "erweiterten Staat" (Antonio Gramsci), d.h. auch in der so genannten "Zivilgesellschaft". Sicherheit, so ließe sich knapp sagen, wird auch mit dem "Konsens der Regierten" hergestellt, indem verschiedene Forderungen reartikuliert, d.h. unter neue Vorzeichen gestellt und eingebunden werden. Dieser Konsens der Regierten ist aber immer auch brüchig, die Hegemonie des Projekts "Sicherheit" umkämpft. Dieser Workshop soll einer Einführung in Hegemonietheorien anhand folgender Frage dienen: Was heißt Hegemonie und was bedeutet es hegemonietheoretisch zu argumentieren? Welche Perspektiven ergeben sich aus einer hegemonietheoretischen Perspektive für die Analyse von Sicherheit?
Crashkurs: Gouvernementalität [16:30 - 18:00 h]
Henning Füller, Christian Schröder
In seinen Machtanalysen weist Foucault auf einen grundsätzlichen Wandel gegenwärtiger Regierungsweise. Steuerung durch Verbot und Zwang wird zum Randaspekt eines nun weitgehend lautlosen „Regieren aus der Distanz“: Beschränkung des Feldes möglichen Handelns (statt direktem Verbots bestimmter Handlungen); eigenverantwortliche Selbstführung (statt repressivem Befehl); Etablierung überzeugender Wahrheiten (statt Vorgaben von oben). Der Crash-Kurs führt ein in die Konzepte Macht, Wissen und Subjekt und zeichnet aus dieser Verbindung die Kontur gegenwärtiger Regierungskunst, der so genannten Gouvernementalität. Insbesondere die neueren Konzepten der Stadtentwicklung und Sicherheitspolitik spiegeln teils bruchlos diese von Foucault beschriebene veränderte Machtstrategie wider.
Crashkurs: Radical Geography [16:30 - 18:00 h]
Bernd Belina
Die Geographie als wissenschaftliche Disziplin war lange Zeit linken Strömungen gegenüber weitgehend resistent. Erst Ende der 1960er Jahre kommt im angloamerikanischen Raum eine Radical Geography auf, die zunächst i.w.S. links, ab den frühen 1970ern vor allem marxistisch orientiert ist. Gegenständlich standen und stehen Fragen aus den Bereichen Stadt, Imperialismus/Entwicklungspolitik und Natur/zerstörung im Mittelpunkt. Theoretisch lag und liegt der Schwerpunkt auf der Frage nach der Relevanz des gesellschaftlich produzierten Raums für Produktion und gesellschaftliche Reproduktion im Kapitalismus. Leider gab es bis vor Kurzem im deutschen Sprachraum weder eine Entsprechung zu diesen Debatten noch eine ernstzunehmende Rezeption. Im Crash Kurs werden wir die Produktion des Raums anhand einiger beispielhafter Positionen (Harvey, Smith, Peet, Soja) und bezogen auf seine Relevanz bei den Themen Imperialismus und Stadtentwicklung & -politik diskutieren.
Welchen Beitrag können linke geographische Debatten zum Projekt einer kritischen Gesellschaftstheorie leisten? Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Relevanz des gesellschaftlich produzierten Raums für Produktion und gesellschaftliche Reproduktion im Kapitalismus.
Freitag, 26.05.06, 10:30 - 11:30 h

Auftaktpodium: Konturen der Sicherheitsgesellschaft - Kontrollstrategien im Wandel
Peer Stolle/Tobias Singelnstein
Die soziale Kontrolle unterliegt vor dem Hintergrund der ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse einem grundlegenden Wandel ihrer Mechanismen, Techniken und Institutionen. Eine neue Formation sozialer Kontrolle bildet sich heraus - die Sicherheitsgesellschaft! Diese Dynamik wird in städtischen Räumen veranschaulicht. Tobias Singelnstein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug am Fachbereich Rechtswissenschaft der FU Berlin. Peer Stolle war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Kriminologie an der Juristischen Fakultät der TU Dresden und ist der zurzeit Rechtsreferendar in Berlin.
Freitag, 26.05.06, 11:45 - 13:30 h

Paramilitisierung öffentlicher Räume und "demokratische Sicherheit" in Medellin
Kolumbienkampagne Berlin, Kolko e.V.
Die "demokratische Sicherheit" ist eine Sicherheitspolitik autoritärer Prägung mit dem Ziel öffentliche Ordnung und staatliche Autorität herzustellen. Indem wir einen konkreten Fall vorstellen, möchten wir Konzept und Wirkung der Politik der "demokratischen Sicherheit" in Kolumbien, sowie die Transformation und den Funktionswandel paramilitärischer Strukturen herausarbeiten: Am Beispiel der Entwicklung der marginalisierten Randbezirke von Medellin soll aufgezeigt werden, wie das Sicherheitskonzept der Regierung Uribe Velez, in Verbindung mit der Renovierung paramilitärischer Struktur, gesellschaftliche Gegenmacht vernichtete, in Frage gestellte Herrschaftsverhältnisse reartikulierte und sich eine Paramilitarisierung öffentlicher und sozialer Räume durchsetzte.
Lokalisierung transnationaler Migrationsregime und Migrationsbewegungen in den „Grenzstädten“ Belgrad und Istanbul
Manuela Bojadzijev, Sabine Hess, Serhat Karakayali (Kanak Attak)
Europäische Migrationspolitiken greifen weit über die territorialen Grenzen der EU hinaus. Lassen sich in den 'Grenzstädten' die Umrisse eines neuen imperialen Migrationsregimes erkennen? Wer sind die Migranten in Belgrad und Istanbul? Welche Migrationsbewegungen durchkreuzen diese Städte und unterlaufen bisweilen die Politiken der EU, der nationalen, lokalen und städtischen Administrationen und Regierungen? Die Präsentation stellt die Resultate des interdisziplinären Forschungsprojekts 'TRANSIT MIGRATION' (www.transitmigrarion.org) vor, das die Transformationen des europäischen Migrations- und Grenzregimes im Kontext der EU-Erweiterung und der aktuellen Praktiken und Routen der Migrationsbewegungen in Südosteuropa untersucht hat.
"Der gefährliche Mensch"
Stefan Krauth
"An der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Strafrecht entsteht ein neuer Typ technischer Bewältigung sozialer Antagonismen. Bedingung für die Verwaltung des „gefährlichen Menschen“ sind Klassifikationen, die das dauerhafte „Wegsperren“ dieser Personengruppe rechtfertigen. Die Hirnforschung bietet sich dabei an, den „gefährlichen Menschen“ neurobiologisch zu erklären. Zugleich sieht sich das Strafrecht, so im Bereich der Sicherungsverwahrung, gegenwärtig massiven Verschärfungen ausgesetzt. Das Zusammenspiel von Strafrecht und einer naturwissenschaftlich orientierten Psychiatrie im Hinblick auf Normalisierung und Ausschluss wird anhand konkreter Beispiele dargestellt. Beide Disziplinen werden als Instrumente politischer Repression kritisiert, die soziale Probleme in technische Fragen transformieren. "
Freitag, 26.05.06, 15:00 - 16:45 Uhr

Widersprüchliche Bewegungsmöglichkeiten: Sicherheit(sdiskurse), Geschlechterverhältnisse und feministische Bewegungsperspektiven
Corinna Genschel, Ariane Brenssell, u.a.
Auffallend in den (linken) Interventionen gegen die Verschärfung der Sicherheitsdiskurse und -maßnahmen, wie sie beispielsweise im Rahmen der WM 2006 erfolgen, ist die "Leerstelle Geschlecht". In diesem Workshop wollen wir diese Leerstelle aufgreifen und in einer offenen Diskussion Gründe und Folgen des Schweigens thematisieren: Denn auch wenn die feministischen Debatten der letzen Jahrzehnte ein einheitliches geschlechtsspezifisches Sicherheitsbedürfnis von Frauen zu Recht dekonstruiert haben, ist die Konstruktion öffentlicher Räume (und zunehmend öffentlich-privatisierter Räume) nicht jenseits von Geschlecht und Männlichkeit und Gewalt zu denken (wie die WM 2006 deutlicher nicht zeigen kann). Wie lassen sich heute Gewaltverhältnisse im städtischen Raum ebenso wie Sicherheitsdiskurse geschlechtsspezifisch fassen, welche Begriffe von Gewalt, Sicherheit und Grenze, welches Verständnis von Geschlecht brauchen wir dafür und welche Folgen hat das für "unser" Tun? Wo machen wir jeweils "Unsicherheiten" aus, woran lässt sich feministisches Unbehagen festmachen? Sind herrschende Un/Sicherheitsdiskurse und der Ausbau von Kontrolle und Überwachung unwichtig für linkes feministisches Tun und wenn ja, warum und was bedeutet dies?
Für diesen Workshop haben wir Feministinnen aus verschiedenen Initiativen eingeladen - nicht um Vorträge und vorgefertigte Antworten zu erhalten, sondern um aus verschiedenen Perspektiven einen Blick auf die Frage nach Geschlechterverhältnissen in den Diskursen um Un/Sicherheit zu werfen,um das Unbehagen, das oft nur beim "Bier danach" in kleinen Kreisen besprochen wird, öffentlich zu thematisieren. Eingeladen sind alle, die Lust haben, offen und eigenständig ihre Perspektiven einzubringen und Interesse haben, einen unklaren Weg zusammen anzugehen.
Raumordnung mittels Kriminalpolitik
Bernd Belina
In den Städten der USA und der BRD werden unter dem Titeln von "Kriminalitätsbekämpfung" und Sicherheit" diverse polizeiliche Maßnahmen in Anschlag gebracht, die den städtischen Raum neu ordnen. Dazu gehören die Videoüberwachung öffentlicher Räume, Aufenthaltsverbote für bestimmte Personen(-gruppen) in bestimmten Räumen und räumliche Restriktionen bei Demonstrationen und öffentlichen Protesten. Ausgehend von diesen Praxen will ich diskutieren, zu welchem Zweck diese Neuordnung geschieht, was die spezifische Leistung der räumlichen Herangehensweise ist und welche Gegenstrategien sinnvoll sein können. Bernd Belina lebt in Berlin und arbeitet am Geographischen Institut der Uni Potsdam, Schwerpunkte: Raumtheorie, städtische Kontrollpolitik und EU-Osterweiterung. Von ihm erscheint im Frühjahr 2006 beim Verlag Westfälisches Dampfboot (Münster) Raum, Überwachung, Kontrolle.
Von Mauern und Favelas - Polizeigewalt in Rio de Janeiro
Susanne Dzeik (Ak Kraak), Kirsten Wagenschein
Das Vorgehen der brasilianischen Sicherheitskräfte gegen die BewohnerInnen von Favelas in Rio de Janeiro ist von einer extremen Brutalität geprägt, die in den letzten Jahren zum Tod von mehreren tausend Menschen geführt hat. Dieses offen repressive Verhalten wird trotz einer offiziellen Rhetorik, welche die Achtung der Menschenrechte als ein Grundprinzip der brasilianischen Polizei ausgibt, nur in extrem seltenen Fällen juristisch verfolgt. In der Regel dominiert eine staatliche Toleranz gegenüber dem Sicherheitsapparat, was sich am deutlichsten in einer weitgehenden Straflosigkeit der Täter zeigt. Vor diesem Hintergrund soll in dem Workshop neben einem Einblick in die aktuellen Strategien der Sicherheitskräfte in Rio auch die lokalen Gegenstrategien der FavelabewohnerInnen beleuchtet werden.
Susanne Dzeik ist freie Journalistin und Filmemacherin, Mitproduzentin der Dokumentation "Von Mauern und Favelas - Polizeigewalt in Rio de Janeiro".
Kirsten Wagenschein ist freie Filmemacherin und Mitproduzentin von "Von Mauern und Favelas - Polizeigewalt in Rio de Janeiro".
Sicherheit durch soziale Kontrolle? Beispiele aus den "Stadtstaaten" Hongkong und Singapur
Peter Franke/Rolf Jordan/Theresa Ng (Asienhaus Essen)
Soziale Kontrolle und "Social Engineering" stellen in Singapur, aber auch in Hongkong wichtige Elemente staatlicher Politik und Herrschaft dar und sind in ihren jeweiligen Ausprägungen nur vor dem Hintergrund der jeweiligen sozialen, ökonomischen und politischen Entwicklungen dieser Stadtstaaten zu verstehen. In beiden Beispielen lässt sich sehr gut zeigen, wie staatliche Kontrolle und Sicherheitspolitik staatliche Sozialpolitiken ergänzen und überlagern. "Privatisierung" von Sicherheitsdienstleistungen spielt zwar auch hier eine zunehmende Rolle, stellt das staatliche Gewaltmonopol und den zum Teil umfassenden Kontrollanspruch der herrschenden Eliten zu keinem Zeitpunkt in Frage. Die Diskussionen um die Form der globlisierungskritischen Demonstrationen in Hong Kong anläßlich des WTO Ministertreffens im Dezember 2005 und der aktuellen Vorbereitung auf die IMF/Weltbank Konferenz im September 2006 in Singapur sind Ausgangspunkt für den workshop.
Sicherheits-WM 2006: WM als Trojnisches Pferd ausgeweiterter Überwachung
Johannes Stender (BAFF e.V.), Christian Hirsch (Fußball AG der Aktion 3.Welt Saar)
Im Zuge der anstehende Fußball WM erfährt der Sicherheitsdiskurs in Deutschland erneut eine enorme Verschärfung. Die Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist nur eine von vielen. Welche sicherheitspolitischen Maßnahmen sollen jetzt vor diesem Großereignis durchgedrückt werden, was passiert konkret an Maßnahmen im Zuge der WM und wie kann Widerstand dagegen organisiert werden?
Partizipative Planungsansätze in Caracas
Projektgruppe MovimentoR
Die überwiegend illegal errichteten Barrios in Caracas sind eines der schwerwiegendsten und drängesten sozialen und stadtpolitischen Themen in der Hauptstadt Venezuelas. Etwa 60 Prozent der BewohnerInnen leben in den oft schlecht ausgestatteten und zum Teil von Hangrutschungen gefährdeten Wohngebieten. Der 'bolivarianische Prozess' - die Politik der Regierung Chavez - setzt im Umgang mit den Barrios auf Partizipation, Dezentralisierung und Selbstorganisation. Der vielbeschworenen Sozialismus des 21. Jahrhunderts ist - zumindest in Caracas - vor allem eine kommunale Revolution. Im Workshop sollen die Strategien, Instrumente und Akteure dieser Veränderungen in den Barrios vorgestellt werden.
Freitag, 26.05.06, 17:15 - 19:00 Uhr

Trojanische Sicherheits-Technologie
Olaf Arndt, Iris Hunger
Der Einsatz von so genannten Non-Lethal Weapons - also von Nicht-Tödlichen-Waffen - hat in den USA längst Einzug in den Polizeialltag gehalten und wird auch in Europa schrittweise realisiert. Elektroschocker, akustische Waffensysteme und neue Kampfgase sollen Gegner unter Kontrolle bringen. Angepriesen werden sie als ideale Waffen zur Terror- und Aufstandsbekämpfung. Aber die neuartigen Waffen sind nicht einfach Up-Dates der bisherigen Polizeitechnik, sondern sie stehen für ein neues ordnungspolitisches Verständnis. Denn sie setzen die Hemmschwelle für ihren Gebrauch deutlich herab. Häufig werden beispielsweise Elektroschocker nicht zur Gefahrenabwehr eingesetzt, sondern zur Gefügigmachung und als Machtdemonstration. So erzeugen diese Waffen Ohnmacht und demobilisieren die kritische Öffentlichkeit. Olaf Arndt, Buchautor, Kurator und Künstler, bezeichnet diese Waffen als eine trojanische Technik, weil sie ihren Waffencharakter verstecken und über ihre Wirkung täuschen.Dr. Iris Hunger ist Biochemikerin und Politologin. Sie leitet die Forschungsstelle Biologische Waffen und Rüstungskontrolle an der Universität Hamburg. Sie beschäftigt sich u.a. mit neuen Formen von Kampfgasen zur Aufstandsbekämpfung und Massenkontrolle.
(Un-) Sicherheit und Gewalt in Guatemala-Stadt
Stefanie Kron
In Guatemala haben das Erbe des Krieges - paramilitärische und geheimdienstliche Organisationen sowie fortgesetzte Straflosigkeit - zur Dominanz extralegaler Macht- und Gewaltstrukturen innerhalb und außerhalb staatlicher Institutionen geführt. Guatemala-Stadt ist Schauplatz serieller Frauenmorde und sozialer Säuberungen geworden, die sich gegen Straßenkinder, Jugendliche, Obdachlose und MigrantInnen richten. Der Workshop behandelt die Frage der (Un-)Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher politischer Artikulation in einem Land, das amnesty international als "korporativen Mafia-Staat" bezeichnet und in dem "urbane Öffentlichkeit" für sozial marginalisierte Gruppen Unsicherheit und generalisierte Gewalt bedeuten.
spaces of fear - "Wo die Angst ist geht’s (nicht) lang: Angstzonen und gefährliche Orte als Paradigmen der (Re-)Produktion des sozialen Raumes"
Thomas Bürk-Matsunami
"Vorstellungen von gefährlichen Orten und Bedrohungslandschaften liegen immer mehr oder weniger deutlich formulierte Angstszenarien zugrunde. Diese Sicherheitsdiskurse sind Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse und deren Kommunikationsformen. Wer das Recht auf die eigene (körperliche/psychische) Unversehrtheit, die Gewährung materieller Ansprüche(soziale Sicherheit) und die Vorstellungen einer Zukunft haben darf, ist ein umkämpftes Terrain, das sich auch sozialräumlich manifestiert. Diese Debatten und Aushandlungskämpfe spiegeln die Hierarchien sozialer Gruppen und deren Artikulationen als ""legitime"" Äußerungen ihrer Vorstellung des guten, eben auch sicheren Lebens wieder. An der Gewichtung und Wahrnehmung bestimmter Vorstellungen von Gefahr und Bedrohung lassen sich somit auch die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, deren Protagonisten und Interessenssphären lesen. Angstraumdiskussionen unterfüttern (historisch wie räumlich) jede gesellschaftliche Auseinandersetzung. Sie materialisieren sich aber nicht nur in ""gated communities"", Sperrzonen und der Privatisierung des sog. öffentlichen Raumes"", sondern auch in Frauenparkplätzen, anderen städtischen Beleuchtungsregimes und den Aktivitäten polizeilicher Sondereinsatztruppen wie TOMEG und MEGA. In dem Workshop ""wo die Angst ist geht's (nicht) lang"" soll versucht werden, Vorstellungen und Bedürfnisse eines sicheren (und guten) Lebens ( eben: le droit á la ville) auch einmal aus der Perspektive anderer Protagonisten zu diskutieren. Möglichst entlang sozialräumlicher Artikulationen und spezifischer Ortsproduktionen. (Bsp. Soziale Hegemonie neonazistischer Gruppen in Brandenburger Städten)"
Sicherheit als erste Bürgerpflicht: Quartiersmanagement und "gefährliche Orte"
Volker Eick
Im Rahmen eines Bedeutungsgewinns des Lokalen erfährt seit den 1990er Jahren auch die Sicherheits- und Ordnungspolitik in der Bundesrepublik neue Aufmerksamkeit, die etwa mit Konzepten Kommunaler Kriminalprävention oder den diversen (neuen) lokalen Sicherheitsagenturen (Ordnungsämter, Sicherheitspartnerschaften und – wachten etc.) Ausdruck gefunden hat. Gerade sozialpolitisch aktive Träger haben auf der lokalen Ebene begonnen, sich verstärkt dem Thema Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit (SOS-Dienste) zu widmen; dies gilt auch – und gerade – für das sich als sozialintegrativ verstehende Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt". Der Vortrag skizziert die Grundgedanken dieses Programms und stellt sie in den Kontext eines aktivierenden Sozialstaats, der kleinräumig auch das Politikfeld der Inneren Sicherheit restrukturiert und zu neuen ausdifferenzierten lokalen Sicherheits-, Ausgrenzungs- und Containment-Regimes führt.
Samstag, 27.05.06, 10:00 - 12:30 h

"Sicherheitspolitik als Instrument der Machtsicherung konkurrierender Kriegsherren - Staatsterror am Beispiel der Dem. Rep. Kongo"
Alfred Makombo (Förderverein Afrika-Initiative e.V. Berlin)
Im Vorfeld der für das Jahr 2006 geplanten ersten freien Wahlen seit 1965 in der Dem. Rep. Kongo ist die Kontrolle zentraler staatlicher Einflussbereiche ein Haupthebel der Machtsicherung konkurrierender Kriegsherren. Der (Un)-Sicherheit der Bevölkerung kommt dabei höchstens strategische Bedeutung als Einschüchterungs- und Erpressungsinstrument zu.
Sicherheit in geteilten Städten
Romin Khan
Staat/Hegemonie/Sicherheit
Wolf-Dieter Narr (FU Berlin, GRK), Maria Markantonatou (Uni Freiburg)
Politische Umbruchs- und Transformationsprozesse sind zumeist untrennbar mit dem "Auftauchen" von Sicherheitsproblemen und der Formulierung bestimmter Politiken zu deren "Lösung" verknüpft. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren zu beobachtbaren Veränderungen von Staatlichkeit soll im Rahmen dieses Workshops versucht werden, die hegemoniale Berabeitung dieser Prozesse auf dem Feld der Sicherheitspolitik zu beleuchten.
Reformen des Rechts im Bereich der "Inneren Sicherheit"
Elke Steven (Komitee für Grundrechte und Demokratie), Wolfgang Kalek (Republikanischer Anwältinnen- und Anwältevereins RAV)
Ein Überblick über die zahlreichen sicherheitsrelevanten Gesetze im Anschluss an den 9. September 2001 soll die massive Ausweitung von polizeilichen Eingriffs-, Kontroll- und Überwachungsrechten im „Krieg gegen den Terror“ verdeutlichen.
Samstag, 27.05.06, 14:00 - 17:00 h

G8 - Repressionen gegen Gipfelmobilisierungen (Foren übergreifend)
Silke Studzinsky (RAV, European Legal Team und Generalsekretärin der European Democratic Lawyers), Suus (Maarten Support Group - Amsterdam), Blicero (Suporto Legale Genua), Matt (pigbrother.info - Schweiz), Dave (Indymedia UK Volunteer- London)
Seit ein paar Jahren gehören Massenproteste zum Standard bei Gipfeltreffen der G8, des WTO oder der Weltbank. Viele Aktive dieser Proteste waren mit einer bisher (gegen zivile Protestbewegungen) unbekannten Repression konfrontiert. Ziel des Diskussion soll es sein, Strukturen und Dynamiken der Gipfel-Repression zu analysieren, um für künftige Mobilisierungen besser vorbereitet zu sein. Am Beispiel einzelner Mobilisierungen (Göteborg, Genua, Genf, Gleneagles) sollen typische Muster der polizeilichen Strategien, der öffentlichen Legitimation und der juristischen Verfolgung deutlich werden.
Die Stadt hat Augen - Der Blick zurück am Beispiel des Reisenden und anderer Ungereimtheiten
Sascha Büttner
1998 gibt das Fotomagazin „Ohio“ eine Video-ausgabe heraus, die bestückt ist mit Aufnahmen von Webcams, die an unterschiedlichsten Orten weltweit aufgestellt und über das Internet für jeden und jede zugänglich waren. Kurze Recherchen ergaben eine Fülle an Webcamadressen, die, so beschloss der Reisende, aufzusuchen sind. Seitdem blickt der Reisende zurück und es stellt sich die alte Frage: wer beobachtet wen und welchen Zweck erfüllt das globale Panoptikum dann noch?
Actions Speak Louder Than Words [14:00 - 15:30 h]
ligna, urbane panik (beide HH), Leipziger Kamera-Initiative gegen Überwachung, innen! stadt! aktion! (Berlin/Hamburg), spacehighjacker (London), c3: city, crime, control (Bremen)
Wir wollen in diesem Workshop einen Blick von unten auf die dem Zwang der Ökonomie ausgelieferten Stadt werfen und die Frage nach möglichen widerständischen Alltagspraktiken stellen.Protest und Widerstand kamen bislang nicht nur von PolitikaktivistInnen, sondern auch aus dem künstlerischen und popkulturellen Milieu. Aktionen richteten sich vor allem gegen rassistischen Stereotypen folgende städtische Verdrängungspolitiken, Kontrollpraxen von kommunalen und privaten Sicherheitskräften, Videoüberwachung und lokale Sicherheitsverordnungen. Die Forderung: ein Recht auf Stadt für alle! Im Workshop werden verschiedene Aktionen gegen die neoliberale Restrukturierung der Städte vorgestellt (z.B. Innen!Stadt!Aktion!) und nach Anknüpfungspunkten für künftige Aktionen und Kampagnen gefragt.
Vernetzungstreffen: Stadt - Sicherheit [15:30 - 17:00 h]
BUKO Arbeitszusammenhang "Stadt und Raum", Leipziger Kamera-Initiative gegen Überwachung, reflect! Assoziation für politische Bildung und Gesellschaftsforschung
"Im Anschluß an den Workshop "Actions Speak Louder Than Words" findet ein Treffen statt, bei dem sich Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen austauschen und vernetzen können, die gegen Überwachung, soziale Kontrolle und Ausgrenzung im städtischen Raum protestieren und widerstand üben wollen. Idealerweise entsteht ein Zusammenhang, der eine bundesweite Kampagne tragen könnte.