Kongress buko25
Tatort Globalisierung
Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

Frankfurt/ Main 09. - 12. Mai 2002

 
 

 

Mumia Abu-Jamal

 

Er ist einer von vielen - von dreitausendsechshundertachtundsiebzig - und so begreift er sich auch. Mumia Abu-Jamal ist Journalist - ein mehrfach preisgekrönter, wenn´s denn eine Rolle spielt - und radikaler Bürgerrechtler, er ist Ex-Black-Panther und vielzitierter Schrifsteller, und er fristet sein Leben seit 19 Jahren und 9 Monaten im Todestrakt von Pennsyvania, USA. Verurteilt für den Mord an einem weißen Polizisten - einen Mord, von dem anhand der vorgelegten Anwaltsanträge jenseits allen begründeten Zweifels feststeht, daß er ihn nicht begangen hat.

"Ich bin ein Revolutionär, und meine Waffe ist die Schreibmaschine", hat er über sich gesagt mit einem seiner unnachahmlich verhaltenen Lächeln, "redet nicht über mich, redet über all die anderen, die keine Stimme haben. Sorgt dafür, daß die Todesstrafe abgeschafft wird."

Wir reden über ihn. Und über all die anderen.

Und über das Gefängnissystem des "Vorreiters der Menschenrechte in der ganzen Welt", der USA. Darüber, daß die "Wiege der Demokratie" es geschafft hat, 2,1 Millionen ihrer Bürger ins Gefängnis zu verfrachten - 6 mal mehr pro Kopf als in allen anderen Staaten der westlichen Welt und in absoluten Zahlen mehr als China, das eine 5 mal größere Bevölkerung hat. Über einen Staat, der 4 mal mehr an Dollars in neue Gefängnisse als in Schulen und Universitäten investiert. In dem jeder dritte seiner schwarzen jungen Männer mindestens einmal in seinem Leben im Knast landet statt in einer Ausbildung. In dem Konzerne wie Nike, Microsoft und Coca-Cola ihre Produkte in den Gefängnissen herstellen lassen und den Gefangenen dafür im Schnitt 4 Cent pro Stunde zahlen - warum denn in die Ferne schweifen (was sie natürlich gleichzeitig tun), wenn das Gute liegt so nah...

Wir reden über den einzigen Staat der westlichen Welt - abgesehen von Japan -, der eisern und entschlossener denn je an der Todesstrafe festhält und sich als einziger Staat der ganzen Welt außer Somalia geweigert hat, die UN-Konvention gegen die Hinrichtung von zur Tatzeit Jugendlichen zu unterzeichnen und diese Todesurteile auch vollstreckt - allein im Jahr 2000 acht mal. Über den Staat, der geistig Behinderte mit der Giftspritze tötet - Leute wie den Mann, der bei seiner "Henkersmahlzeit" sagte: "Hebt mir den Nachtisch auf für nach der Hinrichtung, ich schaff ihn jetzt nicht mehr."

Über den Staat, dessen Gesamtbevölkerung zu 12 % aus Schwarzen besteht, die Bevölkerung seiner Todestrakte aber zu 44 %. Der eine Polizei unterhält, die so bekanntermaßen brutal und korrupt ist, daß selbst die dortige Regenbogenpresse beim jüngsten ungeklärten Tod des Polizisten Thomas Bray aus Philadelphia öffentlich Mutmaßungen darüber anstellt, welche Fraktion seiner Kollegen ihn umgebracht haben könnte, weil er ihre Machenschaften gestört hatte. Der eine Justiz in Amt und Würden bezahlt, in der Richter Albert Sabo - berüchtigter "king of death row" wegen seines landesweiten Rekords von 32 Todesurteilen, davon 30 gegen Angehörige ethnischer Minderheiten - mit seiner bezeugten Äußerung auf dem Gerichtsflur über Mumia Abu-Jamal nicht besonders aus dem Rahmen fällt: "Ich werden ihnen (der Staatsanwaltschaft) helfen, den Nigger zu grillen."

Wir reden über Mumia, weil er ein Mensch ist, den wir auf keinen Fall verlieren wollen. Und deshalb, weil sein Fall jeden einzelnen dieser Aspekte enthält und so auf all die anderen verweist und auf ein Rechtssystem, das auf Unrecht gründet.

Wir zeigen den Film "Protokoll einer Hinrichtung" - und nein, dort muß niemand einer Hinrichtung beiwohnen, wohl aber der grauenvollen Prozedur davor in all ihrer monströsen Präzision. Wir sehen den deutschstämmigen Erfinder des staatlichen Mordes mit der Giftspritze, Fred Leuchter, der mit irrem Stolz in den Augen im Detail erklärt, wie human seine Wunderwaffe funktioniert und wie viele Personen die vielen Knöpfe drücken müssen zur Vollendung des Werks, damit niemand hinterher sagen kann, wer von ihnen für die Verabreichung der tödlichen Dosis verantwortlich war. Wir sehen den Gefängnispfarrer, der überzeugt verkündet: " Es handelt sich hier nicht um die Tötung eines Menschen, sondern um den Vollzug der Gerechtigkeit." Und den Gefängnisdirektor, der mit freundlichem Altherrenlächeln von "meinen" Todeskandidaten spricht, die er jeden Tag in der Zelle besucht, und nichts dabei findet zu erzählen, daß er die Bitte eines Gefangenen, ihm bei der Hinrichtung die Hand zu halten, mit der Begründung ablehnte, er habe keine Zeit und derweil Wichtigers zu tun.

Entgegen all ihrer Beteuerungen ist es den Vereinigten Staaten nicht egal, daß die internationale Kritik an ihrer Strafpraxis in den letzten Jahren schärfer geworden ist, und entgegen anderslautender öffentlicher Meinungsmache wächst der Widerwillen dagegen auch im eigenen Land. Dazu können wir etwas beitragen.

Annette Schiffmann
"Freiheit für Mumia Abu-Jamal" Heidelberg
anna.schiff@t-online.de
www.mumia.de

 

 

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