Kongress buko25
Tatort Globalisierung
Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

Frankfurt/ Main 09. - 12. Mai 2002

 
  

 

Arbeitsgruppen während des Kongress:

Kriegsgetrommel auf der Münchner "Sicherheitskonferenz"

Offiziell heißt sie "Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik". Veranstalter und Tagungsleiter Horst Teltschik behauptete gar, es handele sich um "eine internationale Friedenskonferenz"

Tatsächlich geht es den Repräsentanten der führenden NATO-Mächte nicht um internationale Sicherheit, sondern um Absprachen über ihre derzeitigen und zukünftigen Militärinterventionen. Die Tagung war - wie in den Jahren vorher - eine Kriegskonferenz! Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz brachte das auf die Formel: "Die einzige Verteidigung gegen Terrorismus ist, den Krieg zum Feind zu bringen ... Die beste Verteidigung ist ein gelungener Angriff".
Gleichzeitig ist auch bei der diesjährigen Konferenz wieder deutlich geworden, dass der Graben zwischen den USA und den EU-Staaten immer tiefer wird und dass von transatlantischer Partnerschaft kaum noch die Rede sein kann. Am Tag nach der Konferenz schrieb die SZ, die NATO sei, auch wenn es viele noch nicht wahr haben wollen, "ein Auslaufmodell der Nachkriegsgeschichte" und nähere sich unweigerlich seinem Verfallsdatum. (SZ, 4.2.2002)

US-Kriegs-Erkärung an den Rest der Welt
Zwei Tage vor der Münchner Konferenz hatte US-Präsident Bush in seiner Rede zur Lage der Nation allen Feinden der USA den permanenten Krieg erklärt. "Zehntausende gefährliche Killer" seien "auf der ganzen Welt verteilt", und Ausbildungslager für Terroristen gäbe es "in mindestens einem Dutzend Länder". Und dann verkündete er, dass der "Krieg gegen den Terror noch lange nicht beendet ist, sondern gerade erst beginnt". Unverhohlen drohte Bush dem Irak, dem Iran und Nordkorea mit Militärschlägen. Sie stellen "eine Achse des Bösen dar" und "werden der Gerechtigkeit (Amerikas) nicht entfliehen.
Aufgabe der US-Verteter auf der Münchner "Sicherheitskonferenz" war es schließlich nur noch, die europäischen NATO-Partner auf den von US-Präsident Bush festgelegten Kurs - sprich den Krieg gegen den Irak - einzuschwören.
US-Vize-Verteidigungsminister Wolfowitz: "Jede Nation weiß jetzt, dass wir Staaten nicht akzeptieren können und werden, die die Agenten des Terrors finanzieren. ... Sie sind gewarnt worden ... und sie werden zur Rechenschaft gezogen".
Senator McCain: "Afghanistan war nur der "erste Kriegsschauplatz, der nächste ist der Irak".
Sicherheitsberater Richard Perle: "Die US-Regierung ist entschlossen, Saddam Hussein mit Gewalt aus seinem Amt zu vertreiben - auch gegen den Willen der Europäer." (TAZ, 5.2.2002)
Die USA lassen sich von niemandem mehr dreinreden, das war die Botschaft von US-Präsident Bush: "Die Geschichte hat Amerika und seine Bündnispartner aufgerufen zu handeln, und es ist sowohl unsere Verantwortung als auch unser Privileg, den Kampf um die Freiheit auszutragen. ... Ich hoffe, dass alle Nationen unserem Ruf folgen". Und dann sagt er an die Adresse der Europäer gerichtet: "Viele Länder handeln entschlossen... Aber einige Regierungen werden zögerlich.". Und fügte die unmissverständliche Warnung hinzu: "Täuschen Sie sich nicht. Wenn Sie nicht handeln - Amerika wird es tun."
Bush hatte in seiner langen Rede nicht ein einziges Mal die NATO erwähnt, aus gutem Grund. Die USA sind entschlossen, allein zu handeln, je nach Bedarf - mit wechselnden Koalitionen. Absprachen mit "zögerlichen" Bündnispartnern stören nur die US-Kriegspläne.

Viele NATOsViele NATOs

Tiefe Risse im NATO-Bündnis
Schon drei Wochen vor der Münchner NATO-Tagung schrieb die ZEIT: Der Krieg gegen Terror sei noch nicht gewonnen, "doch ein prominentes Opfer wird schon zu Grabe getragen - die NATO". Das mag vielleicht etwas voreilig sein, denn die USA werden nicht so schnell auf die NATO verzichten. Die NATO ist immer noch das entscheidende Instrument amerikanischer Einflussnahme auf die politischen Entwicklungen in Europa und "Amerikas unverzichtbarer Brückenkopf auf dem eurasischen Kontinent". (Brzezinski, Sicherheitsberater unter US-Präsident Carter)
Richtig ist aber, dass die NATO für den US-Imperialismus derzeit weitgehend "irrelevant" ist und aufs Abstellgleis gestellt wird. Das beherrschende Thema der Konferenz war deshalb das Verhältnis der NATO-Führungsmacht USA zu ihren europäischen "Partnern". US-Vize-Verteidigungsminister Wolfowitz buchstabierte den europäischen NATO-Verbündeten noch einmal die amerikanische Sicht über das "Wesen" zukünftiger Kriegskoalitionen. Nämlich, "dass die Mission die Koalition bestimmen muss, und nicht anders herum". Die USA entscheiden selbst, wer dabei sein darf, und vorläufig finden sich auch genügend Regierungen, die sich als Bündnispartner der USA eigene Vorteile versprechen.
Die Europäer seien militärisch unterentwickelt, klagte NATO-Generalsekretär Robertson in München, und der frühere US-Verteidigungsminister William Cohen meinte: Je größer die Lücke, desto weniger bestehe die Notwendigkeit, die europäischen Bündnispartner um Hilfe zu bitten. Hilfstruppen für die USA zu stellen, die mit dem Anti-Terror-Krieg ihre globale Vorherrschaft zementieren wollen - das liegt aber gerade nicht im Interesse Deutschlands und der EU. "Bündnispartnerschaft reduziert sich nicht auf Gefolgschaft", erklärte Außenminister Fischer, d.h. wenn Deutschland mitmacht, dann will es auch an den Entscheidungen beteiligt werden - zumindest durch Mitsprache über die EU.
Der von den USA begonnene "langandauernde Feldzug gegen den Terror" sei zwar "eine Aufgabe, der sich niemand entziehen darf", wie
E. Stoiber und A. Merkel zustimmend betonten, doch "als Trittbrettfahrer bei den Amerikanern mitmachen", das wollen die EU-Staaten schon lange nicht mehr. Verteidigungsminister Scharping forderte deshalb von den USA mehr "Multinationalität". Militärische Operationen müssten auf der "Grundlage internationalen Rechts" erfolgen, und von der UNO gedeckt sein. Geradezu ein Witz nach der Beteiligung Deutschlands am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Für den Anti-Terror-Krieg, konterte Wolfowitz, brauchen wir kein UN-Mandat".
Das hat auch die Bundesregierung bisher nie in Frage gestellt. Nach dem 11. September hatten Schröder und Scharping den USA bis an die Grenze der Peinlichkeit Truppenangebote gemacht und darum gebettelt, im Anti-Terror-Krieg an vorderster Front dabei sein zu dürfen. Jetzt treibt der Krieg, den die USA faktisch alleine führen und über dessen weiteren Verlauf sie sich von niemandem dreinreden lassen, die Anti-Terror-Koalition wieder auseinander.

Europa entdeckt eine neue Gefahr
Die Forderung der Europäer, die USA müssten sich kooperationsbereiter zeigen (Robertson)
fanden bei den US-Konferenzteilnehmern wenig Verständnis. Die Eigenmächtigkeit der USA sei die Folge der militärischen Rückständigkeit der europäischen Partner. Europäische NATO-Truppen in Afghanistan hätten die USA "ehrlich gesagt" nicht brauchen können, sagte US-Senator McCain.
Edmund Stoiber und Angela Merkel griffen diese Kritik dankbar auf, um eine "deutliche Steigerung" der Militär- und Rüstungsausgaben einzuklagen. Sie nutzten die internationale Tagung als Tribüne für die innerdeutsche Mobilmachung. Europa und vor allem Deutschland seien jetzt gefordert, die viel zu große rüstungstechnologische Lücke zu schließen. (Stoiber). Angela Merkel bekräftigte den Anspruch der EU, "auf der weltpolitischen Bühne eine herausgehobene Rolle zu spielen". Höchste Dringlichkeit erhalte deshalb der Aufbau einer "schlagkräftigen EU-Eingreiftruppe".
Angesichts der Massenproteste gegen die Kriegspolitik der NATO-Staaten in München, erinnerte Stoiber am Schluss seiner Rede an die altbekannte Forderung der CDU/CSU: den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Und zu guter letzt forderte er die Änderung des Grundgesetzes, um den Einsatz deutscher Truppen auf fernen Kriegsschauplätzen auch ohne vorherige Zustimmung des Bundestages zu ermöglichen.
Diejenigen, die bisher "transatlantische Partnerschaft" wörtlich übersetzt haben, stehen (nicht erst seit heute) vor einer geradezu grotesken Realität: dem hemmungslosen Rüstungswettlauf zwischen verbündeten Staaten. Die Auflösung des Rätsels: Aus Partnerschaft ist längst knallharter Konkurrenzkampf geworden. Alle Treueschwüre für die sog. "Atlantische Gemeinschaft" können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl die USA als auch die EU-Staaten ausschließlich ihre eigenen Wirtschafts- und Vorherrschaftsinteressen verfolgen, und dass der Machtkampf zwischen den USA und den europäischen Staaten bereits voll im Gang ist. Es ist nicht ein übermächtiger Feind, der die EU-Staaten bedroht und sie zur Aufrüstung zwingt, sondern es ist der "Abstand" zum Rüstungsarsenal der befreundeten Weltmacht USA. Unter den herrschenden Kräften Deutschlands und Europas ist man sich deshalb seit langem darüber einig, dass Klagen über die Stärke Amerikas nicht weiter helfen. Die FAZ, Organ des deutschen Kapitals, empfiehlt deshalb, sich nicht einer "NATO-Folklore" hinzugeben, "über die der Zug der Zeit hinweg zu gehen droht". Die Europäer würden "als Partner und als Konkurrent" nur dann "ernst genommen", wenn sie "politische Entschlossenheit mit materieller Macht verbinden." (FAZ, 5.2.2002)
Die Eigenmächtigkeit der USA sei "für Europa letztlich eine gute Nachricht", schreibt die SZ. Dies könne "die Erkenntnis nur beschleunigen, dass Europa nur dann eine Zukunft hat, wenn es sich auf sich selbst besinnt. Je schneller, desto besser." (SZ, 5.2.2002)
Unter imperialistischen Konkurrenten heißt das: Der gnadenlose Kampf um Märkte und Rohstoffe, der Kampf um die Neuaufteilung der Welt (der gerade im Gange ist), lässt sich weder einvernehmlich noch friedlich regeln. Die jeweiligen Rivalen bereiten sich darauf vor, in dieser Auseinandersetzung als Sieger hervor zu gehen.

Claus Schreer

... mehr dazu

Text downloaden

 

Ein NATO
Programm
Arbeitsgruppen
Hintergrund
Castellano
   
Mitveranstalter
Sponsoren
BUKO25-Zeitung
BUKO-Mitglieder
Home
BUKO