Kongress buko25
Tatort Globalisierung
Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

Frankfurt/ Main 09. - 12. Mai 2002

 
  

 

Soziale Kämpfe und Autonomien in der kriegerischen Transformation Afrikas

 

In Afrika nehmen die sozialen Auseinandersetzungen vielfach katastrophale Ausmaße an. Von außen scheint den meisten nicht klar warum es zu einer solchen Gewaltsamkeit kommt. Inzwischen wird gelegentlich mit dem Raub der Rohstoffe argumentiert. Während es bei den Kriegen sicherlich auch um ursprüngliche Akkumulation geht, kann das nicht der einzige Grund für die z.T. systematischen Massakerstrategien sein. Wir sehen im Gegenteil einen Angriff auf bisherige und neue soziale Konstellationen und Bewegungen, die eine Inwertsetzung der Arbeit und der Bevölkerung blockiert hatten. Anders: die ständigen Probleme mit der großen Vielfalt dezentraler Mobilisierungsformen der Communities in und zwischen Stadt und Land ließen bis Ende der 80er manchen Weltbankberater verblüfft und zwangen das Kapital zum Rückzug. Gibt es soetwas wie eine erneute Eroberung?

Vor dem Hintergrund der sich in den 80er Jahren immer weiter ausbreitenden Parallelstrukturen (Ausstieg aus den staatlichen Exportablieferungsbehörden und selbstorganisierte Vermarktungsstrukturen, Tausch von Lastwagenladungen an der Grenze, verschiedene Dörfer stiegen aus dem Kaffeeexport aus etc.) erreichten die transnationalen Aufstandsbewegungen in Togo, Kamerun, Madagaskar, Kenya, Côte d'Ivoire und v.a. Zaire ihren Höhepunkt im März-September 1991. Während hierzulande gerade mal die "Runden Tische" (Melber/ Kößler) bekannt wurden, war für die Herrschenden dort und für das bonapartistische und imperialistische Akkumulationsregime die ernsthafte Frage, wie Kontrolle über die Aufstandszonen zurückgewonnen werden könnte.

Seit den 90ern wird versucht, die Massenarmut von "hinten rum", von der Seite der Kampfbereitschaft her im Medium des Kriegs zu zentralisieren und so ihre Unregierbarkeit zu brechen. Die Militarisierung ist vor allem auch ein neuer Angriff auf Frauen und ihre eigenständigen Bewegungen.

Die Landkonflikte haben enorm zugenommen, gab es doch bis Ende der 80er und vielfach bis heute kein Privateigentum an Land, Land wurde auch von Müttern an Töchter vererbt. Das Weltkapital und v.a. französische Militärs greifen zu Vertreibungs- und Massakerpolitik. Es entstehen lokale Allianzen aus Landlosen und Businessmen, die die sozialen Konflikte überdecken und das Ganze als "barbarisch" erscheinen lassen. Nichts ist fälscher als das. Wer Kontakte knüpft erfährt aus erster Hand, dass fanatisch-religiöse und rassistische Milizenmobilisierung von oben vom Staat oder den Big business, hommes d'affaires angezettelt werden. Wiederholt sich der Völkermord von Rwanda in Zimbabwe? Wird es Frankreich in jetzt Madagaskar wieder gelingen die bäuerliche und subproletarische Basis gegen die "Aristokraten" (vorkolonialer Zeit) zu mobilisieren, um Aufstands- und Selbstorganisationspotenziale in rassistischen Schlachten zu ersticken? 1991 kam es dort bereits schon einmal zu einer größeren Erhebung. Damals konnte allerdings noch eine "gütliche Einigung der Eliten" erreicht werden...

Wir möchten in diesem Workshop alle Neugierigen, Unkundigen, "NichtspezialistInnen", und alle, die sich bisher in der einen oder anderen Form in lokalen Initiativen solidarisiert haben, einladen zum Erfahrungsaustausch. Wir möchten fragen nach dem Stand einer Afrika-Solidarität in D.

Einen vielfältigen gemeinsamen antirassistischen Widerstand gibt es, eine entwicklungspolitische Lobbyarbeit gibt es, sogar "Spendensammlungen für Spielzeug in Südafrika" gibt es. Doch wer solidarisiert sich mit den Kämpfen der PlantagenarbeiterInnen in Kamerun? Wer mit den Kampagnen und praktischen Erfolgen der Militanten des Antiprivatisation-Forums in Südafrika? Wer macht Solidaritätsaktionen vor den Konsulaten gegen die Repression dort? Wir sehen hier eine Leerstelle - sowohl im negativen Sinne (je mehr Unkenntnis desto hemmungsloser kann der Imperialismus den Krieg gegen Subsistenz und Sozialbewegungen durchsetzen) wie im positiven Sinn (welche Utopien welche Kampfformen, welchen beat gibt es eigentlich in Afrika von unten?). Gibt es unsererseits auch Antworten auf die soziale Frage jenseits des paternalistischen Lobbyismus? Euer Kampf ist unser Kampf?

Wir haben hier eine radikale sozialgeschichtlich informierte und praktische Neuorientierung anzubieten (insbesondere des Kampfzykluses 1990-91 im frankophonen Afrika und einiger Thesen zur Transformation, siehe auch http://www.materialien.org/africa/genocide.html, auch als .pdf dort). Daraus könnte eine aktionsorientierte Ausrichtung gegen die hiesigen Profiteure der Kriege und des tagtäglichen Kolonialbetriebs folgen, namentlich die Agroindustrie-Lobby und die Think Tanks unter den Kriegsmoderatoren (v.a. die Parteistiftungen, die an der Durchsetzung und Entfesselung des völkischen Territorialprinzips maßgeblich Anteil haben).

Hier ein paar Eindrücke aus den aktuellen Kämpfen der letzten drei Jahre:

Algerien: Sozialaufstand hält an

Nach Gärungen der sozialen Unzufriedenheit seit 1998 kam es anläßlich eines Todes auf einer Polizeistation im April 2001 zu einem Aufruhr, der sich bald zu einem landesweiten Aufstand ausweitete und bis heute andauert. Es wird gelegentlich von Generalstreiks berichtet, ansonsten wird die völlig neue Situation in Algerien hierzulande kaum beachtet. Kabylen riefen zum Widerstand gegen die Regierung auf, in algerischen Fahnen, Algerier griffen kabylische Forderungen auf, der Aufstand hat keine ethnische oder lokalistische Komponente. Es geht vielmehr um einen Bruch mit dem Islamismus und mit dem Militärregime. Vor allem, seit dem für viele AlgerierInnen offensichtlich wurde, dass dieses Regime insgeheim die GIA-Kommandos anleitet.
Mehr dazu unter http://www.wildcat-www.de/zirkular/59/z59alger.htm

Nigeria: Chikoko Gruppen haben Erfolg gegen Shell

Vor vier Jahren formulierte Oronto Douglas, Sprecher der Chikoko Gruppen im Niger-Delta Nigerias erstmals die Forderung an Shell und Elf-Aquitaine, sich aus dem ölverseuchten Delta zurückzuziehen. Nachdem Jugendliche AktivistInnen Shell-Plattformen geentert und einiges an Booten, Hubschraubern usw. erbeutet hatten, kündigte Shell 1999 an, sich aus dem Delta zurückzuziehen. Das Bündnis, das auch in Deutschland von Exilanten der NUPENG Ölarbeitergewerkschaft getragen wird, hat hingegen Shell zu Verhandlungen aufgefordet, unter welchen Bedingungen und Kosten der Sanierung der ganzen Region die Ölförderung fortgesetzt werden könnte. Hierzulande gab es ja auch anno 1995 Shell-Boykott-Aufrufe.
Chikoko siehe: http://lists.essential.org/1998/shell-nigeria-action/msg00759.html

Zimbabwe

Nach der Aufkündigung des jahrelangen sozialen Patts in Zimbabwe durch die Kriegsintervention des Mugabe-Regimes im Kongo und die Verdreifachung der Grundnahrungsmittelpreise 1998ff gab es die ersten LandbesetzerInnen noch bevor Mugabe begann sie durch die Schlägertrupps der "Warveterans" zu vereinnahmen. In den Städten hat es die Opposition leichter, als auf dem Land, es handelt sich jedoch um eine prekäre Koalition aus neuen (schwarzen und weißen) Mittelschichten und ArbeiterInnen, die eigentlich mit den LandbesetzerInnen koalieren würden.
Mugabe verspricht sich von der Kriegsbeteiligung im Kongo riesige Profite. Währenddessen haben die PendlerInnen aus Zimbabwe mit den Leuten im Norden Mocambiques häufigeren Kontakt aufgenommen und beide versuchen nach Südafrika zu gelangen, das wiederum gerade deshalb seine Abschiebepolitik modernisiert. Gibt es eine Zirkulation von Kampferfahrungen?

Südafrika

Nach dem Erfolg der Klage gegen 26 Pharma-Konzerne, billige oder kostenlose Medikamente für die Millionen AIDS-Kranken und Waisen zur Verfügung zu stellen, macht das Antiprivatisation Forum und zahlreiche weitere Community-Initiativen von sich reden: Die letzte Aktion war am 21. März 02 die öffentlich angekündigte illegale Anschließung eines abgetrennten Haushaltes in SOWETO durch das Electricity Crisis Committee, unterstützt durch breites Bündnis vieler anderer Gruppen. Seit 18.4. sind die Inhaftierten wieder frei. Sie sagen: armen Haushalten den Strom und/ oder das Wasser abzuschalten ist eine Menschenrechtsverletzung! Damit finden die Kämpfe in Südafrika Anschluss an die Auseinandersetzungen gegen die Privatisierung des Wassers in anderen Kontinenten, namentlich Bolivien (vgl. http://www.wildcat-www.de/zirkular/59/z59boliv.htm), aber auch Argentinien und Australien.

Bernhard Schäfer

 

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