Mit dem Zusammenbruch der ehemaligen "realsozialistischen" Staaten Osteuropas und dem fortschreitenden Zerfall der politischen Rahmenbedingungen, die es einigen Trikontstaaten erlaubten, gesch�tzte Wirtschaftsr�ume aufrecht zu erhalten, erh�lt die neoliberale Ideologie scheinbar universale G�ltigkeit. Sichtbarer Ausdruck des neuen Status Quo sind die umfangreichen Privatisierungen ehemals �ffentlicher Einrichtungen und G�ter zum Zweck der "Inwertsetzung", die bislang aus dem kapitalistischen Verwertungsprozess ausgeschlossen waren.
Mit der Schaffung neuer Anlagem�glichkeiten folgen Privatisierungen dem �konomischen "Sachzwang", den die kapitalistische Notwendigkeit nach steter Ausweitung erzeugt. Mit der marktwirtschaftlichen Durchdringung weiterer gesellschaftlicher R�ume wird jedoch gleichzeitig eine (globale) Enteignungs�konomie fortgef�hrt. Diese Ausweitung vollzieht sich einerseits geografisch, wobei die bislang umfangreichsten Privatisierungen in den osteurop�ischen Staaten durchgesetzt wurden. Andererseits wirkt dieser Prozess auch in die Gesellschaften hinein. Im Zuge der Privatisierung von �ffentlichen Einrichtungen, von Infrastruktur und Produktionsanlagen werden staatliche soziale Rechte, die den Zugang zu bestimmten G�tern und Dienstleistungen garantierten, durch das Recht auf deren Kauf ersetzt.
Wenngleich Widerstandsaktionen - vor allem im Trikont - bestimmte Privatisierungsvorhaben verhindern konnten, ist die Gegenwehr schon angesichts der Quantit�t der Privatisierungen gering und zumeist von defensivem Charakter. Hinzu kommen Widerstandsbedingungen, die eine Radikalisierung erschweren. Zum einen erscheint nicht nur das Bild von der alternativlosen kapitalistische Produktionsweise hegemonial geworden zu sein. Auch zentrale neoliberale Ideologien (Effizenz, wirtschaftliche Nachhaltigkeit ...) sind zumindest in den Metrolpolen bis in gewerkschaftliche Kreise hinein durchgesetzt. Zudem werden bestimmte negative Auswirkungen durch rassistische und sexistische Arbeitsteilung abgefedert und dadurch der �ffentlichen Wahrnehmung entzogen. Und schlie�lich schr�nkt die Affimierung des b�rgerlichen Staates, der � bisher Garant sozialer Rechte - von Teilen der globalisierungskritischen Bewegungen zu einem Gegenpol zur privatwirtschaftlichen Vergesellschaftung stilisiert wird, die M�glichkeiten zur Radikalisierung deutlich ein.
Dabei ist der positive Bezug auf den kapitalistischen Sozialstaat � je nach konkreter Sozialgeschichte einzelner L�nder � mit unterschiedlichen politischen Ideologien verkn�pft. In den Metropolen ist dabei die Gefahr einer reaktion�ren Bezugnahme immer pr�sent. Schon allein weil sich weltweite Dominanzverh�ltnisse auch darin ausdr�cken, dass die kapitalistischen Zentren in der Lage sind, soziale Forderungen chauvinistisch zu befriedigen, d.h. �ber Repression und Krisenabw�lzung nach "Au�en" � eine Option, die in der Expansionsgeschichte des Kapitalismus permanent gew�hlt wurde und wird.
Es ist in mehrfacher Hinsicht von N�ten, auch bei der Entwicklung von Widerstandsperspektiven gegen Privatisierungen und der damit verbundenen Verteidigung sozialer Rechte, die Notwendigkeit und die M�glichkeit der Negation des b�rgerlichen Staates sichtbar zu machen. D.h., anstelle der blo�en R�ckkehr zu den staatlich garantierten Rechten deren progressive Aufhebung durch "gesellschaftlich garantierte Rechte" zu thematisieren. (Dies schlie�t jedoch eine kritische �berpr�fung jener linksradikaler Ans�tze mit ein, die sich darin ersch�pfen, kapitalistische "Gesellschaftlichkeit" mit dem Propagieren individuell abgesicherter, pr�kerer sozialer Nischen zu negieren.)
Die Bedeutung einer solchen radikalen Kritik wird auch dadurch nicht geschm�lert, dass die gegebenen gesellschaftlichen Verh�ltnisse "praktische" Gegenentw�rfe immer beschr�nken werden und der b�rgerliche Staat als die einzig realistische M�glichkeit anzusehen ist, die Befriedigung sozialer Bed�rfnisse auf gesellschaftlicher Ebene zu garantieren - und die Forderung nach einer gesellschaftlichen Garantie sozialer Rechte sich erst dann einl�sen l�sst, wenn nicht nur der b�rgerliche Staat, sondern auch das ihm zugrunde liegende Produktionsverh�ltnis beseitigt w�rden.
Im Gegenteil: das theoretische wie praktisch-bewusste Infragestellen der Normen warenf�rmiger Bed�rfnisbefriedigung, d.h. die gesellschaftliche Aneigung materieller und ideeller "Lebensmittel" jenseits der Logik von Markt und kapitalistischem Wohlfahrtsstaat, kann eine M�glichkeit sein, auch die Infragestellung der Produktionsverh�ltnisse selbst praktisch werden zu lassen. Obgleich die Proteste gegen Privatisierungen spontan nicht �ber die Logik des b�rgerlichen Sozialstaates hinauszuweisen scheinen, birgt der Gegenstand des Protestes ein bedeutendes Potenzial. Schlie�lich spricht ja einiges daf�r, Proteste, die sich u.a. gegen die Umwandlung �ffentlicher G�ter in Waren wenden, dazu zu nutzen, die Warenform als solche zu kritisieren.
Arbeitsgruppe "Privatisierung" im �kumenischen B�ro M�nchen
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