"Sie werden nie auf uns hören"


Ein Interview mit Mahmoodi von RAWA

Frauen und Frauenrechte werden als angeblicher Kriegsgrund immer beliebter: so in den letzten Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan. Ähnlich hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einem Interview dargestellt, dass die Frauenbefreiung auch einen guten Grund für einen Krieg gegen den Irak darstelle. Doch die betroffenen Frauen werden nicht gefragt. So wurde die Organisation Revolutionärer Frauen aus Afghanistan, RAWA, in ihrem Ruf nach Frieden genauso überhört wie schon all die Jahre davor, als sie nach Unterstützung ihrer Arbeit gerufen hatte - gegen die Taliban.

Im November 2001 rief Laura Bush auf zum Krieg gegen den "Krieg der Taliban gegen die Frauen". War dies der Moment, als Frauen in Afghanistan endlich gehört wurden?

Mahmoodi: Natürlich wurden diese Argumente benutzt, als die USA die Taliban durch eine andere Regierung ersetzen wollten. Die Situation der afghanischen Frauen war nur ein Vorwand für ihren Krieg in Afghanistan. Auch die westlichen Medien haben vor den Ereignissen des 11. September über die Notlage der Frauen geschwiegen. Zum Beispiel zeigten sie nicht das geringste Interesse an der Hinrichtung von Zarmeena [einer Mutter von sieben Kindern, welche beschuldigt wurde, ihren schlafenden Mann mit einem Stahlhammer getötet zu haben, Anm. d. Red.] durch die Taliban, welche RAWA mit einer versteckten Kamera gefilmt hatte. Nach dem 11. September jedoch versuchten alle, dies zu benutzen. Die Aufnahme wurde in fast allen Fernsehsendern immer wieder ausgestrahlt. Das gleiche geschah mit einigen Fotos von RAWA, welche sogar für die Flugblätter verwandt wurden, welche mit amerikanischen Flugzeugen über Afghanistan abgeworfen wurden - natürlich ohne vorher RAWA um Erlaubnis zu fragen.

Was habt Ihr aus Eurer politischen Praxis gegen den Krieg gelernt?

Vieles, was auch für die Menschen im Irak wesentlich ist. Der Krieg der US-Regierung gegen die Taliban wurde als ein Krieg gegen den Terror geführt, aber sie haben lediglich eine fundamentalistische Bande durch eine andere ersetzt: die Nordallianz. Dabei wurden über 4.000 unserer unschuldigen ZivilistInnen getötet. Die Menschen in der Welt sollten nicht glauben, was über Afghanistan gesagt wird - unser Land ist noch nicht ›befreit‹. Im Gegensatz zu den Hoffnungen unserer Leute ist der Traum von einer Befreiung geplatzt. Die Nordallianz ist nichts anderes als eine zerbrechliche Koalition eines - um es in den Worten des UN-Spezialgesandten zu sagen - "Haufen Banditen", mit einer langen Liste von Verbrechen und Brutalitäten. Die Uran- Waffen, welche die USA in Afghanistan benutzt haben, verursachen in einigen Gegenden Afghanistans Missgeburten. Wir sollten erwähnen, dass die Menschen in den USA eine davon sehr verschiedene Einstellung zur Notlage der afghanischen Frauen haben. Natürlich haben wir die großzügige Hilfe sehr geschätzt, die aus den USA an unsere notleidenden Frauen geschickt wurde. Auch aus eigener Erfahrung hat RAWA die Menschen in den USA als freundlich, mitfühlend und menschlich wahrgenommen.

Seht Ihr einen Zusammenhang zwischen dem historischen Kolonialismus und den heutigen Kriegen?

Wir sehen nicht nur einen Zusammenhang, sondern wir sind der Meinung, dass es keinen Unterschied zwischen den letzten Kriegen und dem historischen Kolonialismus gibt. Heute wie damals sind es die ökonomischen und politischen Interessen, für die Krieg geführt wird. Der Irak wird nicht das letzte Kriegs-Opfer bleiben. Viele weitere Länder werden das Gleiche erleben - unter jeweils anderem Vorwand. Unsere Herzen sind mit den leidenden Menschen im Irak, welche seit Jahren die Brutalität des Saddam - Regimes erfahren und jetzt aufs Neue unter den Bombardements zu leiden haben. Das Ergebnis davon ist nichts als Zerstörung, Tod, Hunger und Obdachlosigkeit. Und am Ende wird ein neuer Saddam den irakischen Menschen vorgesetzt und sie werden in einem verwüsteten Land zurückgelassen.

Was wären Eure Erwartungen an eine Friedensbewegung in Deutschland ?

Wir bitten unsere deutschen Schwestern und Brüder, die Antikriegsbewegung aufrecht zu erhalten. Die Politiker werden niemals auf die Stimme von uns aus den Dritte-Welt-Ländern hören. Aber Eure Stimme hat Auswirkungen.

Interview: Friederike Habermann


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