BUKO 25: Eine andere Globalisierung ist möglich!
Die Bundeskoordination Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

 

Presseerklärung zur
Natokonferenz

 

Der Kongress in der Presse:

 

 

 

Bericht über den BUKO25 von Joachim Hirsch und Eva-Maria Krampe

Ein Tag von vieren zu Gast auf dem Internationalismuskongress BUKO 25
(Graswurzelrevolution 270, Sommer 2002)

Die tageszeitung vom 13. Mai: "BUKO und Attac diskutierten"

Die tageszeitung vom 16. Mai: "Attac alles Sozialdemokarten?" (Leserbrief)

Neues Deutschland vom 11. Mai: "Kongress über den Antiimperialismus"

Neues Deutschland vom 13. Mai: "Die Suche nach einer Perspektive"

jungle world vom 08. Mai: Öffnen statt helfen.

jungle world vom 15. Mai: Treffen der Bundeskoordination Internationalismus

junge welt vom 08. Mai: "In welcher Welt leben wir eigentlich?"

junge welt vom 10. Mai: "Reform beim BUKO-Netzwerk in Frankfurt/Main - Neues internationalistisches Selbstverständnis"

junge welt vom 13. Mai: "Aufbruchstimmung in Frankfurt am Main - Nach BUKO gemeinsam weiter?"

junge welt vom 13. Mai: "Suche nach neuen Wegen"

junge welt vom 17. Mai: "Gespenster im Aufbruch"

 


BUKO 25
Joachim Hirsch, Eva-Maria Krampe

Vom 9.-12. Mai hielt der BUKO in Frankfurt/Main seinen 25. Kongress ab. Bereits mit dem Thema "Tatort Globalisierung" wurde auf die Veränderungen verwiesen, denen das kapitalistische Weltsystem seit dem Ende der siebziger Jahre, als der BUKO gegründet wurde, unterworfen war. Anfang des dritten Jahrtausends, nach dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme und angesichts des erfolgreich durchgesetzten neoliberalen Globalisierungsprojekts sind neue theoretische Überlegungen und politische Orientierungen gefragt. Letztere drücken sich in auch in der Namensgebung aus. Statt "Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen" bezeichnet BUKO heute die "Bundeskoordination Internationalismus". Dies reflektiert sowohl das Ende der traditionellen nationalen Befreiungsbewegungen und der darauf bezogenen Solidaritätsprojekte als auch die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen "erster" und "dritter" Welt, zwischen "Zentrum" und Peripherie" unschärfer geworden sind, z.B. wenn man in Betracht zieht, dass in Zeiten eines generalisierten Wohlstandschauvinismus weniger die "Entwicklung" der Peripherie denn die Verhältnisse in den Zentren das Problem darstellen oder dass die Peripherie heute eher ein Experimentierfeld für kapitalistische Umstrukturierungprojekte darstellt, deren Anwendung in den Zentren erst noch bevorsteht. Das erfordert eine thematische Neuorientierung und Öffnung, die mit diesem Kongress erfolgreich fortgesetzt wurde. Dafür steht nicht zuletzt die große Vielfalt der gut besuchten Arbeitsgruppen, deren Fragestellung von der Internationalisierung des rassistischen Widerstands über die Veränderung der Geschlechterverhältnisse bis zur Ökonomie von Bürgerkriegen reichte. Eher unterbelichtet - und das markiert wohl noch eine Traditionsspur des alten Internationalismus - war allerdings noch die Beschäftigung mit den eher unspektakulären Seiten von materieller Not und Armut, die im Zuge der neoliberalen Umstrukturierung des Weltkapitalismus und dem Abbau sozialer Sicherungssysteme, deren Konfliktpotential inzwischen selbst Institutionen wie den IWF und die Weltbank aufmerken lässt.

Bemerkenswert waren nicht nur die wohl auch für die Veranstalter überraschend große Zahl der TeilnehmerInnen, sondern auch die gegenüber früheren Zeiten veränderten Diskussionsstile und -inhalte. Statt Austausch bekannter politischer Positionen dominierte die Suche nach Orientierungen und Erklärungen, nach Möglichkeiten politischer Arbeit unter den Bedingungen einer veränderten Welt. Es wurde ebenso geduldig zugehört wie ernsthaft diskutiert. Die oft zum Ausdruck gebrachte, heftige Kritik an den Podiumsdiskussionen, mit der demokratischere Formen des Austausches eingefordert wurden, lief allerdings an den Bedürfnissen der Mehrheit der TeilnehmerInnen vorbei. Offensichtlich waren viele gekommen, um sich überhaupt erst einmal zu orientieren oder aber um häufig gelesene AkteurInnen der globalisierungskritischen Bewegung und Wissenschaft live zu hören. Was leider auch dazu führte, dass deren Workshops solche Mengen von TeilnehmerInnen anzog, dass andere mit ebenso spannenden Themen, z.B. zu Frauenpositionen im israelisch-palästinensischen Konflikt oder zur Kampagne "Nicht wählen!", entweder nur schwach besucht waren oder ganz ausfallen mussten. Deutliches Indiz für das Bedürfnis nach sachlichen Informationen stellte der Verlauf der Plenumsveranstaltung über den israelisch-palästinensischen Krieg dar, in dem man sich mit der Sache selbst und nicht mit hiesigen Befindlichkeiten beschäftigte und somit von den in diesem Zusammenhang üblichen Verdächtigungen und Projektionen weit gehend frei war.

Insgesamt jedoch ließ sich bei den Diskussionen in Plenen, Workshops und in den Pausen und beim Essen und Trinken ein wirklich neuer Stil beobachten. Man hörte einander zu, ging aufeinander ein, jeder Beitrag wurde als gleichwertiger akzeptiert; Ungleichgewichte aufgrund von Generations- oder Geschlechtszugehörigkeit oder der Zugehörigkeit zur Promi-Gruppe traten kaum auf (was wohl eher SeniorInnen aufgefallen sein mag). Dazu gehörte auch die Tatsache, dass Frauen und Frauenthemen nicht als eine besonders apostrophierte Minderheit dabei waren, sondern einfach dabei waren, was sich schon durch den Anteil von Frauen an den TeilnehmerInnen erklärte; es dürften wohl 50 Prozent gewesen sein. Das wurde besonders augenfällig in der Besetzung des Podiums zur Organisationsfrage: Feministische Gruppen hatten die Teilnahme abgesagt, weil das für sie zur Zeit kein Thema war. Dennoch war das Podium paritätisch besetzt; für kanak-attac und die Berliner autonomen Gruppe sprachen je eine Frau.

Die Frage, "wie die Welt verändern ohne die Macht zu erobern?" war ein zentrales Thema des Kongresses. Die traditionellen Konzepte einer revolutionären Machtergreifung oder des Staatsreformismus spielen kaum noch eine Rolle. Dafür sind die Erfahrungen mit verstaatlichten Befreiungsbewegungen ebenso maßgebend wie die mit dem rot-grünen "Projekt" hierzulande. Und alle haben von den mexikanischen Zapatistas gelernt. Gleichwohl zieht das entschlossen vorgetragene "Ya basta", die Erkenntnis, dass eine andere Welt nicht nur möglich ist, sondern dass dafür ein entschiedenes Nicht-mehr-Mitmachen bis in die kleinsten Alltagsroutinen hinein gehört, zunächst einmal einige Ratlosigkeit nach sich. Einen anderen Politikbegriff praktisch zu realisieren, die dafür wichtigen Ansatzpunkte und Formen zu finden, ist eine schwierige Frage. Klar wurde immerhin, dass hier das zentrale Problem liegt, wenn es um die Schaffung einer nicht nur anderen, sondern freieren und menschlicheren Gesellschaft geht.

Wie bei einem Kongress dieser Art nicht anders zu erwarten, wurden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet und vieles hätte genauer ausdiskutiert werden können. Dazu gehört der Umgang mit der Staatsmacht gerade angesichts der aktuellen Veränderungen von Staat und Staatensystem, eine Problematik, die sich eher schärfer stellt, wenn es nicht mehr darum geht, dieselbe ergreifen zu wollen. Auch wenn es vor allem darauf ankommt, praktisch andere Produktions-, Lebens- und Vergesellschaftungsformen und auf diese Weise "Anti-Macht" zu entwickeln, kann man aus den bestehenden und sich immer gewalttätiger ausprägenden Machtverhältnissen nicht austreten. In welcher Welt wir eigentlich leben - das Thema der Eröffnungsveranstaltung - blieb einigermaßen vage. Die Behandlung des Imperialismusbegriffs schwankte zwischen "immer noch" und "nicht mehr", wo es doch eigentlich darauf ankäme, die Verschränkung und Veränderung einzelgesellschaftlicher und internationaler Gewalt- und Abhängigkeitsverhältnisse im Zuge der Internationalisierung des Kapitals und des Staates zu begreifen. Klar wurde dabei immerhin, dass der aktuelle linke Theoriehype, das Empire-Buch von Negri und Hardt dafür nicht sehr viel hergibt.

Zu der Aufbruchstimmung, die der Kongress vermittelte, gehört natürlich auch ein Schuss Romantik. Dass mit den Volksaufständen in Argentinien eine ganz neue Gesellschaft aufscheine, mag man bezweifeln, wenn man die Verhältnisse dort etwas genauer ansieht. John Holloways Proklamation "go away, capital", die auf das ganz andere, das schöne und gute Leben jenseits von Abhängigkeit und Entfremdung zielte und mit der er sich auf eben die argentinischen Aufstände und deren Ruf "Que se vayan todos!" bezog, fand großen Anklang. Freilich wird dabei die grundlegende Widersprüchlichkeit des Kapitalverhältnisses unterschlagen, die eben diese Perspektive problematisch werden lässt und die erklärt, weshalb es so schwer zu beseitigen ist. Die Durchsetzung der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft ist eben auch ein historischer Emanzipationsschritt, der nicht einfach rückgängig gemacht werden kann. Wenn Kritik sich auf diese Widersprüche einlässt, gerät sie ins Handgemenge, verschwinden viele Sicherheiten.

Einen Hinweis auf den Zustand der Öffentlichkeit hierzulande gab die Tatsache, dass der Kongress in den etablierten Medien ohne jede Resonanz blieb. Selbst die Frankfurter Rundschau, die über die Jubiläumsveranstaltung jedes Kleintierzüchtervereins berichtet, hielt nicht einmal eine Notiz für nötig. Dass politisch Wichtiges jenseits der Staatsaffären nicht wahrgenommen wird, hat mit der allenthalben im Niedergang befindlichen journalistischen Professionalität zu tun. Öffentlichkeit ist heute vor allem der selbstreferentielle Bezug der Medien aufeinander. Wahrscheinlich hätten die üblichen Berichterstatter zudem auch einige Schwierigkeiten gehabt, den Diskussionen zu folgen. Sie hatten stellenweise ein Niveau, das man in politologischen Seminaren selten findet. Dabei zeigt sich aber auch eine Differenz im Politikstil, etwa im Vergleich zu Attac. Der BUKO hat jedenfalls nicht das Problem, zum Gegenstand einer eigenen Mediendynamik zu werden. Tatsächlich operieren beide Organisierungsansätze auf völlig verschiedenen Ebenen. Dies war mit ein Grund, weshalb es eine Diskussion über Attac praktisch überhaupt nicht gab. Es handelt sich hier um ein anderes Feld, ungeachtet vieler personeller Überschneidungen und Kooperationszusammenhänge. Überhaupt spielte die "Organisationsfrage" - obwohl sozusagen pflichtgemäß Thema einer eigenen Plenumsveranstaltung - keine große Rolle, ganz im Gegensatz zum zwei Wochen später stattfindenden Ratschlag von Attac, bei dem es kaum um etwas anderes ging als darum, eine angemessene Organisationsstruktur zu finden. Allerdings gab es auch bei Attac keine endgültige Lösung, sondern nur das zunächst auf ein weiteres Jahr begrenzte Festhalten am Konsensprinzip, statt der Wahl von Delegierten etc. Die Organisationsfrage kann und sollte auch nicht allgemein und abstrakt geführt werden, sondern sich aus konkreten Arbeitszusammenhängen und Konfliktlagen heraus bilden. Der Kongress hat jedenfalls gezeigt, dass die Organisationsform, die der BUKO gefunden hat, nicht die schlechteste ist.

Was sich auf dem BUKO-Kongress getroffen hat, war ein Teil der sogenannten "globalisierungskritischen" Bewegungen. Seine Bedeutung für deren Entwicklung liegt darin, dass es gelungen ist, über abstrakte Gegnerschaften und Solidaritäten hinaus die Verständigung über die Weltzustände, über eigene Orientierungen, Interessen und Perspektiven hier und jetzt ein Stück weiterzutreiben. Es wäre schön, wenn dieser Prozess fortgesetzt werden könnte. Die Initiatoren sind mit einer nicht ganz leichten Aufgabe konfrontiert.

Aus: www.links-netz.de

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Öffnen statt helfen. Soli-Arbeit ist out. Deshalb heißt Buko jetzt Bundeskoordination Internationalismus und zeigt sich zum 25jährigen Jubiläum mit neuem Gesicht.
von Thomas Seibert, jungle world, 8.5.2002

Entwicklung klingt nach Hilfe. Irgendwer - es waren immer die anderen - sollte da 'entwickelt' werden, nach unserem Vorbild.« Und: »Ein linker Internationalismusbegriff kann heute nicht mehr auf den Begriff 'entwicklungspolitisch' Bezug nehmen«, erklärt die Buko 25-Vorbereitungsgruppe in der Zeitung zum Jubiläumskongress, der am Donnerstag in Frankfurt am Main beginnt.
Geht der Plan der Vorbereitungsgruppe auf, werden deutlich mehr und auch andere Leute zusammenkommen als in den vergangenen Jahren. Das liegt nicht nur am Jubiläum. Der Buko hat sich vorgenommen, ein Vierteljahrhundert internationalistischer Praxis in Deutschland zu bilanzieren. Wichtiger aber wird der Versuch sein, die Organisation und den Kongress politisch zu öffnen. Deshalb heißt der Buko (Bundeskongress der entwicklungspolitischen Aktionsgruppen) künftig die Buko: Bundeskoordination Internationalismus. Gelingt der Relaunch, wird die klassische Soli-Bewegung endgültig historisch geworden sein.
Der Buko war ihr Dachverband, gegründet 1977 auf Betreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Das suchte damals nach einem Partner in der in vielen lokalen Grüppchen organisierten Szene der »Dritte-Welt«-AktivistInnen und stellte dafür nicht wenig Geld bereit.
Auf dem ersten Bundeskongress trafen VeteranInnen der studentenbewegten Vietnam-Solidarität und Internationalismus-Sekretäre kommunistischer Splitterparteien mit Leuten aus dem gewerkschaftlichen und kirchlichen Spektrum zusammen. Bestimmende Themen waren zunächst die Befreiungskämpfe im südlichen Afrika, später die mittelamerikanische Revolution. Lokale Soli-Komitees für Nicaragua, El Salvador und Guatemala stellten das Gros der Mitgliedsgruppen und radikalisierten die Bewegung schnell. Dass dabei nostalgische Hoffnungen auf ein in der Guerilla organisiertes revolutionäres Subjekt, ein patriarchales Politikverständnis und Illusionen über die emanzipatorischen Möglichkeiten peripherer Nationalstaaten im Spiel waren, ist hinlänglich kritisiert worden.
Anerkannt werden muss, dass es den Buko-Gruppen gelang, bis weit in die kirchliche und gewerkschaftliche Öffentlichkeit eine Sensibilität für die Unterstützung lateinamerikanischer Militärdiktaturen und Oligarchien durch die Bundesregierung und die Profite deutscher Unternehmen zu schaffen. Das Ergebnis waren zahlreiche Städtepartnerschaften deutscher und lateinamerikanischer Kommunen. Zur Kampagnen- und Bildungsarbeit kam die Projektkooperation mit den Befreiungsbewegungen durch Organisationen wie medico international, Eine-Welt-Läden oder die über 10 000 »BrigadistInnen«, die zur Erntehilfe nach Nicaragua reisten.
Als der Buko 1981 die Kampagne »Waffen für El Salvador« startete, verschlechterte sich die Beziehung zum BMZ rapide. Endgültig verloren ging die freundliche Unterstützung des Ministeriums, als der Buko in der Hochphase der Friedensbewegung wegen der Militärhilfe für die Diktaturen zur Blockade des BMZ aufrief.
Der historisch wichtigste Kongress war der 11. Buko, der 1987 unter dem Motto »Elende Schulden - unverschuldetes Elend« in Fulda stattfand. Hans Klein (CSU), damals Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kommentierte im Bundestag: »Wer Not und Unterentwicklung der Menschen in der Dritten Welt zynisch zur innenpolitischen Profilierung oder gar zur ideologischen Hetze missbraucht, der muss auf unseren geschlossenen Widerstand rechnen. Ich sage das aus aktuellem Anlass. Der so genannte Buko, eine von Kommunisten und anderen Linksextremen beeinflusste Organisation, bereitet eine breite Kampagne zur Störung bis zur Verhinderung der nächstjährigen Herbsttagung von Weltbank und IWF in Berlin vor. Gewalt ist (...) angesagt.«
Tatsächlich war der Buko eine treibende Kraft der ersten Anti-IWF-Kampagne, zu deren Abschluss 80 000 Menschen demonstrierten. Zwischen Grünen und DKP einerseits, Autonomen oder Antiimps andererseits stand der Buko für eine dritte Position, den einen zu radikal, den anderen zu reformistisch. Der 12. Buko, ebenfalls nach Frankfurt einberufen, konnte nur mit richterlicher Beihilfe zusammentreten, weil der CDU-Bürgermeister den Kongress verboten hatte.
Die »Wende« um 1989 riss auch den Buko in die Krise. In der Folge der UN-Umweltkonferenz von Rio 1992 institutionalisierten sich nicht wenige Gruppen zur NGO oder wendeten sich der »Agenda 21« zu. Andere lösten sich vom Bezug auf den Nord-Süd-Konflikt und plädierten angesichts der Maastrichter Verträge für eine langfristig angelegte Anti-EU-Kampagne. Viele Projektkooperationen entpolitisierten sich. Von Kongress zu Kongress sank die Zahl der TeilnehmerInnen, der Zusammenhang unter den restlichen Gruppen lockerte sich. Der Buko war im gewerkschaftlichen, kirchlichen und kommunalpolitischen Spektrum nicht mehr relevant. Arbeitsfähig blieben allein teilprofessionalisierte Gruppen wie die Buko-Pharmakampagne oder die Agrar-Koordination.
Einige Jahre vor Seattle oder Genua begann der Buko mit ersten Vorbereitungen zu dem, was heute mangels begrifflicher Alternativen »Globalisierungskritik« heißt. Mitte der neunziger Jahre rief eine »Arbeitsgruppe Schwertfisch« den Buko auf, von der nur südwärts gerichteten Soli-Arbeit zur globalen »Abwicklung des Nordens« überzugehen. Neben einem »Arbeitsschwerpunkt Rassismus und Flüchtlingspolitik« entstand 1998 der »Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft«, der seither ohne Berührungsangst Kritik am staatsreformistischen Flügel des Attac-Netzwerks formuliert.
Seither hat der Buko wieder Zulauf; der Münchner Kongress 2001 wurde zum Forum, auf dem Linke auch von außerhalb die Folgen des 11. September 2001 diskutierten. Die Kooperation mit anderen Gruppen und Institutionen wurde gesucht, zum Frankfurter Kongress rufen zum Beispiel auch kanak attak, die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK, Libertad!, diverse linke Zeitungen und lokale Gruppen des Rhein-Main-Gebiets auf.
Die Buko öffnet sich damit für antifaschistische, antirassistische, antimilitaristische und patriarchatskritische Gruppen. Das Ziel ist »ein Zusammenschluss, Netzwerk oder was auch immer von Gruppen und Menschen, die sich innerhalb des herrschaftskritischen Spektrums der internationalen Protestbewegung verorten und die Buko als Möglichkeit nutzen, über die Ambivalenzen dieser Protestbewegung zu streiten«, erklärt die Vorbereitungsgruppe. »Ambivalent« wird es spätestens am Freitagabend werden, wenn es unter dem Titel »Der Nahostkonflikt und die Solidaritätsbewegung« um »Wege aus der Sackgasse« geht.

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Kongress über den Anti-Imperialismus
Debatte in Frankfurt (Main) über neue Strategien
Von Thomas Klein (ND 11.05.02)

Am Donnerstag begann an der Uni in Frankfurt (Main) unter Federführung der »Bundeskoordination Internationalismus« ein viertägiger Kongress unter dem Motto »Tatort Globalisierung«.
Bereits die Eröffnungsveranstaltung des Globalisierungskongresses am Donnerstagabend war mit mehr als 300 Teilnehmern gut besucht. Sie zeigte nach Ansicht der Veranstalter, dass es ein Bedürfnis in der Linken nach stärkerem Austausch und Neuorientierung gibt. Wie eine solche von der »Bundeskoordination Internationalismus« (BUKO) erachtete Neuorientierung aussehen könnte, zu der nach Ansicht von Thomas Seibert, Sprecher der Kongress-Vorbereitungsgruppe, eine Entmystifizierung alter Bilder und Vorstellungen in der Linken gehört, soll am heutigen Sonnabend und am Sonntag in Arbeitsgruppen und auf abendlichen Podiumsdiskussionen genauer herausgearbeitet werden.
Bei der Eröffnungsveranstaltung wurde unter der Losung »Globalisierung und Imperialismus oder: In welcher Welt leben wir eigentlich?« zunächst noch eine sehr grundsätzliche Fragestellung, genauer die Verständigung auf eine die Zustände treffend beschreibende Analyse, diskutiert.
Dass diese Erörterung im schon legendären Hörsaal 6 der Frankfurter Uni stattfand, ist zumindest unter historischen Gesichtspunkten fast ein Etappenschritt. In diesem Saal lagen sich die Anhänger der antiautoritären Bewegung Ende der sechziger Jahre mit den an der Uni dozierenden Vertretern der Frankfurter Schule in den Haaren. Sie debattierten über den Charakter spätkapitalistischer Gesellschaften und die Notwendigkeit einer Revolution auch in den Metropolen. Deren reale Möglichkeit wurde unter den bestehenden politischen Rahmenbedingungen namentlich von Professor Adorno verworfen. Im Saal 6 haben auch in den Jahrzehnten danach immer wieder heiße Diskussionen über Weg und Ziele linker Politik stattgefunden. Was nicht selten in heftigem Streit und Tumulten endete. Zumindest dann, wenn es nicht nur darum ging, Gesellschaftskritik auf den Punkt zu bringen, sondern daraus eine auf Veränderung zielende Praxis zu entwickeln. Ob es diesmal etwas anders wird, werden der Verlauf der Arbeitsgruppen und abendliche Podiumsdiskussionen zeigen.
Zu Beginn des Kongresses standen zunächst nicht die sich für eine linke Politik ergebenden Perspektiven unter den Vorzeichen des »schillernden Begriffs der Globalisierung« im Vordergrund, sondern die Überprüfung von Begriffen.
Der in Teilen der Linken zu beobachtende Trend, den Anti-Imperialismus als ein Stück Geschichte zu bezeichnen und die damit verbundenen Vorstellungen auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, traf auf Widerspruch. Insbesondere Gazi Cagkar, Lehrbeauftragter an der Uni in Hannover, legte Wert darauf, dass Kritik am Imperialismus, auch das Festhalten an diesem Begriff, immer noch zeitgemäß ist. Allerdings müsse die Linke eine Imperialismus-Kritik entwickeln, die sowohl den »heiligen Krieg« islamischer Prägung wie auch die »heilige Allianz« des Westens gleichermaßen zurückweise.

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Interview mit Josef Hierlmeier:
Aufbruchstimmung in Frankfurt am Main: Nach BUKO gemeinsam weiter?
Thomas Klein für junge Welt, 13.05.2002

Josef Hierlmeier ist Mitarbeiter im Lateinamerika-Komitee in Nürnberg und arbeitet seit einigen Jahren bei der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) zum Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft. jW sprach mit ihm F: Am gestrigen Sonntag ist in Frankfurt/Main ein viertägiger Kongreß der BUKO zu Ende gegangen. Welche Bilanz ziehen Sie?
Nach 25 Jahren »Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen« haben wir, auch abzulesen im neuen Namen »Bundeskoordination Internationalismus«, einen Schnitt nach vorne gemacht. Wir wollen uns für neue Gruppen und Personen öffnen, die sich innerhalb des herrschaftskritischen Spektrums in die internationale Protestbewegung einordnen.
An dem Kongreß haben sich in den vergangenen Tagen 800 bis 1000 Leute beteiligt. Nicht nur diese Zahl ist ein großer Erfolg. Auch unsere Absicht, durch Kooperationen mit Gruppen, die in anderen Teilbereichen seit langen engagiert sind, eine Öffnung zu erreichen, ist hier in Frankfurt gelungen. Wir verzeichnen eine Aufbruchstimmung, eine Bereitschaft, offen über alle möglichen Punkte und Fragen zu diskutieren. Die BUKO hat hier Räume für einen notwendigen intensiven Austausch und für neue Debatten in der Linken geöffnet.

F: Wie sah diese Öffnung konkret aus?
Es gibt Organisationen aus der Friedensbewegung, die bisher bei der BUKO nicht aufgetreten sind und die sich in den vergangenen Tagen beteiligt haben. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Deutsche Friedensgesellschaft, die DFG/VK Hessen. Auch aus der antirassistischen Bewegung, etwa von Vertretern der Gruppe »kanak attak«, der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) und weiteren wurde das Angebot zur Mitarbeit angenommen. Es gibt eine große Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu schauen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln.
F: Besteht aber nicht auch die Gefahr einer Beliebigkeit? Indem ein so breites Spektrum aufgegriffen wird, könnte es doch problematisch werden, sich einer gründlichen Analyse zu widmen.
Diese Gefahr besteht grundsätzlich immer, aber mein Eindruck ist doch ein anderer. Nach den Rückmeldungen aus den Arbeitsgruppen und nach dem Verlauf der Debatten auf den Podien, kann ich sagen: Einerseits gibt es das Bemühen, die Erfahrungen der Vergangenheit kritisch aufzuarbeiten, und andererseits wird eine gründliche Debatte um die Konstituierung einer herrschaftskritischen Linken geführt. Im Moment gehe ich davon aus, daß kein Rückschritt hinter einen bereits erreichten Diskussionsstand gemacht wird. Einem großen Teil der Gäste auf dem Kongreß war außerdem klar, daß eine neue internationale Linke nicht mehr auf eine alleinige Organisationsform setzen kann. Favorisiert wird daher eine Netzwerk-Struktur, die eine anti-etatistische, herrschaftskritische Bewegung und eine Linke hervorbringen sollte, die sich gegen Institutionalisierung wehrt.
F: Diese drei Kriterien sind für Sie zentral?
Und die Fähigkeit ein Netzwerk zu schaffen, das nicht hierarchisch ist.
F: Auf dem Kongreß ist häufiger davon die Rede gewesen, daß die Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der »Dritten Welt« auch auf eine Schwäche der hiesigen Linken hinwies. Statt die Verhältnisse hier zum Tanzen zu bringen, habe eine Projektion von Wünschen und Hoffnungen auf andere Teile der Welt stattgefunden. Teilen Sie diese Kritik?
Einer der Gründe dafür, warum es dazu gekommen ist, lag sicher auch in den versteinerten politischen Verhältnissen in Deutschland. Aber seit einigen Jahren, vor allem seit der rassistischen Mobilisierung in Deutschland Anfang der neunziger Jahre, gab es bei BUKO Diskussionen, die Situation im eigenen Land viel stärker zu thematisieren. Und das läßt sich als Gedanke auch wieder stärker im Bewußtsein der Leute hierzulande verankern: Notwendig ist es, die Verhältnisse im eigenen Land zum Tanzen zu bringen. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.

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Gespenster im Aufbruch
»Bundeskoordination Internationalismus« (BUKO) und ATTAC - wo ist der Unterschied?

Thomas Klein für junge Welt, 17.05.2002 (Inland)

Ein Gespenst geht um im globalen Kapitalismus: Das Gespenst der globalisierungskritischen Bewegung. So beginnt die Abschlußerklärung der »Bundeskoordination Internationalismus« (BUKO) nach einem viertägigen Kongreß in Frankfurt am Main in der letzten Woche. Nach den Beratungen konstatierten sowohl die Vertreter der Vorbereitungsgruppe als auch viele der mehr als 800 Teilnehmer eine deutlich spürbare Aufbruchstimmung.
Ob hinter dieser Wahrnehmung mehr als eine Hoffnung steckt, das wird sich zeigen. Wegmarkierungen und Ziele sind jedenfalls abgesteckt. In der Erklärung wird analysiert: »Die neoliberalen Eliten sehen sich in ihrer uneingeschränkten Weltherrschaft gestört. Nach dem Scheitern der WTO-Millenniumsrunde in Seattle hieß die Devise zunächst: Dialog mit der Zivilgesellschaft, um so die Kritiker einzubinden und zu neutralisieren«. Seit dem Terroranschlag vom 11. September, so die BUKO weiter, werde allerdings eine neue Strategie betrieben, um die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Nach dem einfachen Motto »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns« würden nun alle, die dem »Kreuzzug zur Durchsetzung der Alleinherrschaft des Kapitals im Wege stehen«, pauschal als Sympathisanten der fundamentalistischen Reaktion und des sogenannten internationalen Terrors verdächtigt. Sie werden mit polizeistaatlichen Mitteln bekämpft.
Bisher habe sich die globalisierungskritische Bewegung der Aufspaltung in »nützliche« und »gefährliche« Kritiker erfolgreich widersetzt. In dem Prozeß der Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen in der Linken und der Erhaltung der Vielfalt von Meinungen und Aktionsformen will die »Bundeskoordination Internationalismus« zukünftig ein Forum für den notwendigen Gedankenaustausch sein. So lautet ihr Selbstverständnis. Andere Gruppen wurden zur Mitarbeit eingeladen.
Da stellt sich manchen Beobachtern die Frage: Was unterscheidet das BUKO- vom ATTAC-Netzwerk? Wollen beide nicht das gleiche? Schließlich gibt es sowohl hinsichtlich der Terminologie als auch der Organisationsstruktur - also der Betonung darauf, Teil einer außerparlamentarischen Bewegung zu sein - auf den ersten Blick viele Überschneidungen.
Thomas Seibert, der die in Frankfurt ansässige Hilfsorganisation medico international in der BUKO vertritt, ist unterdessen nicht glücklich über die nun in der Presse zu findende Aufteilung in ein eher reformistisches Netzwerk ATTAC und die sozusagen linksradikale Variante BUKO. Es gehe nicht um Konkurrenz. Insgesamt sei die globalisierungskritische Bewegung im Augenblick ein extrem diffuses Bündnis. Und neben dem gemeinsamen Bemühen, rechte Tendenzen rauszuhalten und nationalistische Gruppen hier nicht partizipieren zu lassen, gebe es gegenwärtig zwei zentrale Linien. Dafür ständen ATTAC und BUKO.
ATTAC reagiere eher darauf, daß die parteiförmig organisierte Sozialdemokratie soziale Bedürfnisse, die sie jahrzehntelang artikuliert habe, mittlerweile links liegenlasse. Dazu gehöre das Bedürfnis, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft so etwas wie einen Klassenkompromiß zu realisieren. Dennoch, wer nun »von der außerparlamentarischen Sozialdemokratie« rede, wie das Werner Rätz, organisiert bei ATTAC und am Samstag Diskussionsteilnehmer auf dem Podium, selbst getan habe, führe keinen denunziatorischen Begriff in die Debatte ein. Der Begriff weise vielmehr auf einen gesellschaftlichen Zustand hin, der sich auch dadurch auszeichne, daß es einen Rücktritt der Partei Sozialdemokratie von Positionen gebe, die sie jahrzehntelang wahrgenommen habe. Außerdem sei auch bei ATTAC eine Tendenz zur Radikalisierung erkennbar. Ablesbar an der Bereitschaft, grundsätzliche Frage zu stellen und nicht bloß zum Ratgeber auf dem Weg eines »Modernisierungsprozesses« zu werden.
Zur Besonderheit der gegenwärtigen geschichtlichen Etappe gehört aus Sicht der BUKO, daß sich in der globalisierungskritischen Bewegung nicht nur eine Position ausbildet, die außerparlamentarisch sozialdemokratisch im beschriebenen Sinn agiert, sondern eben auch eine, die entschieden antikapitalistisch ist. Und hier will die neue BUKO ansetzen.
»Es gibt mit ATTAC die Übereinstimmung bei der organisatorischen Form - sprich der Netzwerkstruktur. Die ist BUKO und ATTAC gemeinsam. Inhaltlich vertritt die BUKO eine klar antikapitalistische Position. Wenn auch nicht im einzelnen unbedingt klar sei, auf welches alternative Gesellschaftsmodell das ziele,« so Seibert weiter.
Trotz dieser Unklarheiten wagt Josef Hierlmeier, der seit einigen Jahren zum BUKO-Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft tätig ist, einen Ausblick. Traditionell sei BUKO Dachverband der Solidaritätsgruppen gewesen. Das werde die neue Bundeskoordination nicht aufgeben, aber stärker mit einem Internationalismus verknüpfen, der die Zustände im eigenen Land ins Visier nehme. Seibert ergänzt: Bereits auf dem Vietnam-Kongreß 1968 habe Rudi Dutschke, damals Wortführer der außerparlamentarischen Opposition, diese Notwendigkeit betont. Vor diesem Hintergrund sei das Ganze natürlich keine Neuerfindung. Doch es gelte, diesen Aspekt wieder stärker ins Auge zu fassen.
Rückblickend, nach Ende des Kongresses, gibt es nach Ansicht der BUKO zumindest zwei Themen, an denen sich im Moment exemplarisch bestehende Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse deutlich aufzeigen lassen. Das betrifft die Frage von Krieg und Frieden, der neuen Außen- und Militärpolitik. Zum zweiten das Thema Rassismus, das den Blick auf die Lebensverhältnisse von Menschen in unserem Land, auf diskriminierende und Menschen ausgrenzende Gesetze, Verfahren und Stimmungen lenke. Seibert: »Die verschiedene Gruppen und Organisationen zusammenführende Klammer könnte der Umstand sein, daß neoliberale Globalisierung momentan vor allem eines zur Folge hat: Krieg. Das ist ein Thema, über das die praktische Neuausrichtung des Internationalismus laufen wird. Der besteht in der Solidarität mit der Peripherie, und er muß auf die Unterdrückungspraxis im eigenen Land zielen«.

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Die Suche nach einer Perspektive
Kongress an der Frankfurter Uni: Internationalismus und die neue Weltordnung

Von Thomas Klein (Frankfurt/Main) fürs Neue Deutschland, 13.05.2002

Am Sonntag endete ein viertägiger Kongress »lnternationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September«, zu dem die »Bundeskoordination Internationalismus« (BUKO) geladen hatte. Mehr als 800 Menschen suchten sich dem Ziel zu nähern, dem Internationalismus wieder eine theoretische und praktische Perspektive zu eröffnen.

Mehr als 200 entwicklungspolitische, feministische, antimilitaristische, antirassistische Gruppen und viele Basisinitiativen waren mit Informationsständen in die Uni in Frankfurt (Main) gekommen. Etwa 50 Gruppen stellten in Workshops ihre Projekte vor und sorgten dafür, dass kaum ein Thema, das dem ausgegebenen Ziel entsprechend zur Entwicklung einer handlungsfähigen Linken gehört, ausgelassen wurde.

Optionen in Zeiten der Globalisierung
In Arbeitsgruppen ging es um die »Funktionalisierung der Frauen in der neuen Weltordnung«, wurden Möglichkeiten zur Internationalisierung antirassistischen Widerstandes ausgelotet oder die Frage aufgeworfen: Ist es möglich, die Welt zu verändern, ohne die Macht zu erobern? Zu diesem Aspekt referierten auch John Holloway, mexikanischer Staatstheoretiker, und Joachim Hirsch, Professor an der hiesigen Universität. Im Mittelpunkt stand dabei der Wunsch, Handlungsoptionen linker Politik unter den Bedingungen der Globalisierung herauszuarbeiten. Eine Debatte, geführt vor dem Hintergrund der als gescheitert in die Geschichte eingegangen Vorstellungen, Gesellschaften in einem politisch-emanzipatorischen Sinne mittels Übernahme staatlicher Macht verändern zu wollen. So lautete zumindest die Ausgangsthese.
Dem hielt Holloway das Beispiel der mexikanischen Zapatisten entgegen, das gleich aus mehreren Gründen wichtig sei. Zum einen hätten die Zapatisten eine Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen von Widerstand in zahlreichen Ländern Lateinamerikas neu entfacht. Zum anderen sei die Aufforderung der Zapatisten an die Menschen in Nordamerika und in Europa, weniger Solidarität zu üben, sondern viel mehr im eigenen Land zu handeln, die Reorganisation des eigenen Tuns in den Vordergrund zu stellen, ein wichtiger Impuls, der in Europa und unter den Linken in Deutschland aufgegriffen werden sollte.
Die mit Abstand meisten Teilnehmer zog eine öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Nahostkonflikt an. Etwa 800 Menschen lauschten aufmerksam, und erfreulicherweise nicht begleitet von Schuldzuweisungen an die unterschiedlichen Kriegsparteien, den Referenten auf dem Podium. Sabah Alnasseri, Politologe und Exiliraker, Aida Touma Souliman, Geschäftsführerin der arabischen Frauenrechtsorganisation »Woman against Violence« und Mitglied der Kommunistischen Partei Israels, sowie Moshe Zuckermann, Historiker und Autor aus Tel Aviv verstanden es, die Debatte auf einem sachlichen und anspruchsvollen Niveau zu halten. In diesen Tagen alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Viel Hoffnung, dass demokratische Kräfte auf beiden Seiten einen Weg aus der Sackgasse von Gewalt und Gegengewalt weisen könnten, blieb am Ende nicht. Für Zuckermann sind die israelische Friedensbewegung und die Gruppen, die innerhalb Israels den notwendigen Druck erzeugen könnten, um Alternativen zu Sharons Politik der militärischen Stärke einzufordern, gegenwärtig zu schwach. Und: »Selbst wenn US-Präsident Bush der israelischen Regierung einen anderen Kurs aufzwingen will«, was so noch nicht einmal unterstellt werden könne, »wird das nicht gelingen«.
Es bleibe nur die Hoffnung, dass in der israelischen Gesellschaft irgendwann der Druck auf die Politik zu einer historischen Entscheidung irgendwann stark genug werde. Unter historischer Entscheidung sei zu verstehen, dass der national-religiöse Teil der israelischen Gesellschaft Abschied nehmen müsse von der Idee, die Westbank sei ein von Gott den Israelis versprochenes Land, das auf keinen Fall geräumt werden dürfe. Der notwendige Abschied von Mythen sei allerdings ein enormer Sprengsatz für die israelische Gesellschaft, so Zuckermanns Resümee.

Über den eigenen Tellerrand hinaus
Nach dem Ende des Kongresses zog Josef Hierlmeier, Sprecher der BUKO, eine positive Bilanz. So sei nicht nur das Angebot der politischen Öffnung von Gruppen der Friedensbewegung und aus dem antirassistischen und antifaschistischen Spektrum angenommen worden. Es habe in den letzten Jahren überdies kein Kongress mit einer solch inhaltlichen Breite so bereitwillig über den eigenen Tellerrand der Teilbereichspolitik hinaus geschaut. Besonders erfreulich sei die Tatsache, dass bei den Teilnehmern eine Aufbruchstimmung zu spüren gewesen sei. Und dies sei in Frankfurt verbunden worden mit dem Versuch, stärker die Verhältnisse im eigenen Land unter die Lupe zu nehmen, und »Kritik am Kapitalismus« mit der Frage nach Alternativen zu verknüpfen. Das gebe für die Zukunft einigen Anlass zur Hoffnung.

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Treffen der Bundeskoordination Internationalismus - Meine erste Buko
von Danièle Weber, jungle world, 15.5.2002

25 Jahre nachdem der Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen gegründet worden war, wurde am Wochenende auf dem Jubiläumskongress in Frankfurt daraus die Bundeskoordination Internationalismus. Ein runder Geburtstag, den die neue Buko mit einem historischen Break begehen wollte.
»Die Buko will sich öffnen«, schrieb Buko-Mitglied Thomas Seibert in der vergangenen Woche in der Jungle World. Ausdrücklich gewollt sei von nun an der direkte Austausch innerhalb der Linken in Deutschland, egal ob man sich als offen antikapitalistisch, undogmatisch radikal oder bewusst internationalistisch versteht. Zumindest quantitativ war diese Öffnung ein voller Erfolg. An der 25. Buko nahmen so viele Menschen teil wie seit dem Ende der achtziger Jahre nicht mehr. »Nicht viel anders als sonst« empfanden jedoch Buko-Erfahrene das Angebot, mit dem es die Organisationsgruppe geschafft hatte, dass diese 25. Zusammenkunft mit mehr als 600 TeilnehmerInnen bei vielen erstmalig Interesse weckte.
Dass die Einschätzungen der gebotenen Events auseinander gingen, ist für Kongresse dieser Art nichts Neues. Eine zu konventionelle Herangehensweise an linke Themen warfen vor allem die Buko-Neulinge den Arbeitsgruppen vor, »als ob die Auseinandersetzungen der letzten Jahre in der Linken nicht stattgefunden hätten«. Über manche Highlights von gestern wollte wohl niemand so recht debattieren, die Arbeitsgruppe über neoimperialistische Protektorate auf dem Balkan etwa kam mangels TeilnehmerInnen gar nicht erst zustande.
Auf allen Veranstaltungen präsent war hingegen das Thema Naher Osten. Es war wohl vor allem die Diskussionsrunde »Der Nahostkonflikt und die Solidaritätsbewegung«, die so manche Lastminute-Kongressreisende nach Frankfurt gelockt hatte. Auch hier gab es unterschiedliche Reaktionen: Zu einseitig, meinten einige, während sich bei der Mehrheit Erleichterung darüber breit machte, dass die gefürchtete Eskalation ausblieb.
Und auch die von Thomas Seibert für diesen Abend versprochene »Ambivalenz« ließ auf sich warten. Der Referent Moshe Zuckermann legte seine Perspektive derart souverän dar, dass die »Debatte« auch am folgenden Tag in seiner AG eher informativen Charakter hatte. Gestritten wurde auf dieser Buko, wenn überhaupt, über das Phänomen Attac, von dem sich Buko-Vertreter inhaltlich stets heftig abzugrenzen bemühten. Dennoch war nicht zu überhören, dass auch die neue Buko von der Aufbruchstimmung rund um die immer zahlreicher werdenden GlobalisierungskritikerInnen profitieren möchte.
Von einem solchen Aufbruch war trotz guter Stimmung im Studierendenzentrum der Bockenheimer Warte kaum etwas zu spüren. Deutlich wurde jedoch ein Wunsch vieler KongressteilnehmerInnen: Die neue Buko könnte die linksradikale Konkurrenz zur reformistischen Attac-Bewegung werden. Ob sie das schafft oder ob sie lediglich als einer ihrer Think-Tanks fungieren wird, wird mit Sicherheit auf der 26. Buko erörtert werden. Immerhin wurde im Gegensatz zum vergangenen Jahr auf wenig aussagekräftige Abschlusserklärungen mit den üblichen nichtssagenden Floskeln verzichtet. Das Papier »Antikapitalismus globalisieren«, das bereits in den Hörsaalgängen kursierte, fand erfreulicherweise keine Mehrheit auf der Mitgliederversammlung.
Unter Applaus angenommen wurde hingegen der Vorschlag des Vorstands, die Buko möge zur Anti-Bush-Demo in Berlin aufrufen. Der Appell, »George Bush gebührend in Berlin zu empfangen«, wurde inhaltlich nicht weiter begründet. Wirklich linksradikal ist das nicht. Aber es ist eben der Ausdruck eines Teils »des herrschaftskritischen Spektrums der internationalen Protestbewegung«, dem sich die Buko öffnen will.

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